Aquakultur – Massentierhaltung unter Wasser

Was die Marikultur für Wildfische, Umwelt und Tierwohl bedeutet

Aquakultur – Massentierhaltung unter Wasser

Aquakultur, die Aufzucht von Wassertieren und -pflanzen, ist der schnellst-wachsende Zweig in der Ernährungsbranche. Aber ist sie die Lösung zur Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung? Strategien hierfür müssen die Überfischung und andere nicht nachhaltige Praktiken sowie die Umweltauswirkungen der aquatischen Lebensmittelproduktion angemessen berücksichtigen. Allein der Futter- und Platzbedarf der Aquakultur gefährdet Wildpopulationen zusätzlich. Die Massentierhaltung unter Wasser drängt Fragen zum Tierwohl auf. Hinzu kommen ökologische Folgen, wenn Chemikalien, Antibiotika etc. aus den Anlagen in die Meere gelangen.

Aquakultur – ein Überblick

Die Nahrungserzeugung in der Aquakultur wächst mittlerweile schneller als die industrielle Intensivtierhaltung von Landtieren. 2022 erreichte die weltweite Aquakulturproduktion ihren bisherigen Rekord von 130,9 Millionen Tonnen. Damit übertraf sie erstmals die auf 91 Millionen Tonnen geschätzte Fangfischerei. Der Ab-Hof-Wert betrug im Jahr 2022 ca. 312,8 Milliarden USD. Schätzungen zufolge wird sich die aquatische Nahrungsmittelproduktion bis 2030 um weitere 15 Prozent steigen.

Im März 2024 veröffentlichte die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen ihren Bericht zur weltweiten Aquakultur (1950-2022). Darin wertete sie Statistiken aus 208 Erzeugerländern und -gebieten aus.

Im Rekordjahr 2022 umfasste die Produktion:

  1. 94,4 Millionen Tonnen Wassertiere (Lebendgewichtäquivalent),
  2. 36,5 Millionen Tonnen Algen (Nassgewicht) und
  3. 2.700 Tonnen Muscheln zur Perlenproduktion.

731 verschiedene Arten werden aktuell in der Aquakultur „produziert“, aber nur 17 Arten machen rund 60 Prozent der globalen Produktion aus. Allein 83,4 Millionen Tonnen der gezüchteten Wassertiere „erntete“ Asien.

TOP 5 der häufigsten Arten in der Küsten-/Meeres-Aquakultur
TOP 5 der häufigsten Arten in der Küsten-/Meeres-Aquakultur, Foto © David Rodríguez Sánchez

Ökologische Auswirkungen von Aquafarming

Konventionelle Aquakultur ist häufig mit großen ökologischen Problemen verbunden, wie Verschmutzung durch ihre Abwässer oder die Zerstörung ganzer Lebensräume. Niedrige Hygiene- und Umweltstandards verschärfen das Problem – insbesondere in Asien, wo knapp 90 Prozent der Produktion stattfindet.

Überdüngung/Verschmutzung
Zerstörung von Ökosystemen
Fischfarmen bedrohen Wildpopulationen
Invasive Arten
Ausbreitung von Krankheiten

Überdüngung: Aquakulturen verursachen in der Regel große Umweltschäden, wenn Chemikalien, Nahrungsreste, Fischkot und Antibiotika aus den Anlagen in die Meere gelangen. Denn damit geht eine Überdüngung der natürlichen Gewässer einher. Absinkendes Futter und Fäkalien verschmutzen zusätzlich den Meeresboden unter den Gehegen. Die nährstoffreichen Abwässer fördern das Wachstum von Algen, die wiederum die Vermehrung schädlicher Bakterien in Riffen ankurbeln.

Zerstörung von Ökosystemen: Um überhaupt Platz für die Farmen zu schaffen, wurden bereits großflächig Küstenwälder abgeholzt. Die Welternährungsorganisation schätzt, dass seit 1980 weltweit 3,6 Millionen Hektar der Fischzucht weichen mussten. In den Küstenregionen tropischer und subtropischer Länder gehen durch den Bau von Zuchtanlagen ökologisch wertvolle Lebensräume wie Mangrovenwälder verloren.

Fischfarmen bedrohen Wildpopulationen: Fischfarmen stellen in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr für Wildpopulationen dar:

A. Fische brechen aus den Farmen aus

Beispiel Lachsfarmen in Norwegen: Ein großer Teil der weltweiten Lachsproduktion stammt aus Norwegen, etwa 400 Millionen Zuchttiere leben in engen Netzen vor der Küste. Degenerierte Tiere (über Generationen hochgezüchtete Fische) brechen aus den Netzgehegen aus, vermischen sich mit wilden Lachsen, verdrängen diese und verbreiten Krankheiten. Schätzungen zufolge entkommen pro Jahr rund 200.000 Lachse, was ca. 50 Prozent der durchschnittlichen Wildlachspopulation entspricht, die zum Laichen in norwegischen Flüssen schwimmt (Quelle: Aquaculture, Vol. 532).

Netzgehege in der Aquakultur
Netzgehege in der Aquakultur © adokon

B. Futterbedarf bedroht die überfischten Bestände zusätzlich

Viele Speisefische sind Fleischfresser. Die großen Mengen an Futterbedarf – nicht nur Fischabfälle aus Wildfisch – sind mitverantwortlich für die Überfischung der Meere. Der Anteil der gefütterten Aquakultur an der Gesamtproduktion von Nutztierarten steigt immer weiter: 2022 waren es schon 73,1 Prozent.

Die Nachfrage ist mittlerweile so hoch, dass diverse Länder Schiffe in die Antarktis schicken, wo sie jedes Jahr mehr als 200.000 Tonnen Krillkrebse fangen – eigentlich eine wichtige Nahrungsquelle für Pinguine, Robben und Wale. Auf der Nordhalbkugel gibt es Pläne für eine industrielle Befischung der ebenfalls zum Zooplankton gehörenden Ruderfußkrebse – auch sie sollen zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet werden. Weil gleichzeitig der Weltmarktpreis für Fischmehl und -öl in den letzten Jahren um das Vier- bis Fünffache stieg, versucht man nun, die großen Zuchtfische an pflanzliche Proteine (Soja, Mais, Raps) zu gewöhnen.

C. Fang von Jungtieren für Aquakultur-Mast

Ein anderes Problem ist die Entnahme von Jungfischen oder Fischlarven aus der Natur. Zum Beispiel ist es noch nicht gelungen, Roten Thunfisch in ausreichender Zahl für die Farmen nachzuzüchten. Daher werden junge Thunfische aus freier Wildbahn gefangen, um sie dann in den Farmen groß zu züchten. Das gleiche gilt auch für den Aal. Durch diese Praxis gibt es einen zusätzlichen Druck auf die wilden Fischbestände.

Invasive Arten: Viele Aquakulturen werden dort errichtet, wo die Fischart gar nicht heimisch ist. Entkommene Tiere können dann das natürliche Gleichgewicht in den Meeren stören, indem sie zum Beispiel mit heimischen wilden Arten um Nahrung konkurrieren oder sie verdrängen.

Ausbreitung von Krankheiten: Die intensive Haltung von Fischen und Garnelen in den offenen Netzgehegen kann dazu führen, dass Krankheitserreger und Parasiten befallener Zuchttiere sehr schnell ausbreiten. Häufig werden Antibiotika unkontrolliert verabreicht, das fördert wiederum die Entstehung resistenter Keime.

Fragen des Tierwohls in der Aquakultur

Durch die hohe Zahl an Meerestieren, die in den Anlagen zusammenlebt, empfinden die Tiere Dauerstress. Das macht sie anfällig für verschiedene Arten von Krankheiten, darunter Flossenverletzungen durch ständiges Reiben an Artgenossen. Die Gehege bieten auch ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Parasiten. Tierschutzprobleme in der Aquakultur werden neben der zu hohen Besatzdichten auch durch schlechte Wasser- und Futterqualität oder schlechtes Handling bei Besatz, Abfischung und Transport verursacht. Indikatoren sind u.a. Veränderungen im Blutbild und Stresshormone oder Kiemen- und Flossenzustand.

Tierethik: Wissenschaftlich betrachtet stehen Fische den Landwirbeltieren in vielen Aspekten nicht nach: Sie sind lernfähig, sie merken sich negative Erlebnisse und versuchen diese zu meiden und sie entwickeln erfolgreiche Strategien, um an Futter zu gelangen. Ihr Sozialverhalten ist komplex und sie empfinden ebenso Schmerz, Angst und Stress. Grund genug, ihre Lebensbedingungen in den verschiedenen Formen der Aquakultur kritisch zu hinterfragen.

Worauf Sie achten können

Nachhaltige Formen der Aquakultur sind nicht besonders verbreitet. Am nachhaltigsten ist es, vor allem solche Meeresprodukte zu essen, die ganz unten in der Nahrungskette stehen wie die nährstoffreichen Algen („Grüner Kaviar“).

Regional statt global: Was für uns in Deutschland bedeutet, dass wir besser auf Salzwasserfische verzichten.

Klasse statt Masse: In jedem Fall ist Fisch eine Delikatesse und sollte – wenn überhaupt – nur selten gegessen werden.

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