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Wissenschaftler*innen sowie Tier- und Artenschutzorganisationen warnen bereits seit Jahren vor den Gefahren des internationalen Wildtierhandels für Mensch und Tier. Die Corona-Pandemie zeigt uns drastischer denn je, dass der Handel mit Wildtieren nicht nur die weltweite Biodiversität gefährdet, sondern auch für Mensch und Tier eine Gefahr birgt. Rund drei Viertel aller neuartigen Infektionskrankheiten sind Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden können und umgekehrt. Die Krise ist mehr als ein berechtigter Anlass zu debattieren, ob ein „Weiter so“ bei unserem rücksichtslosen Umgang mit der Natur, der Zerstörung der letzten Regenwälder und dem unkontrollierten Handel mit Wildtieren aus allen Erdteilen sein darf.
Seit 2020 hält die Corona-Pandemie die ganze Welt in Atem. Millionen fürchten um ihre Liebsten und ihre Jobs. Viele Länder reagierten schnell und strikt: Städte wurden abgeriegelt, Grenzen geschlossen und das normale Leben deutlich eingeschränkt. Doch trotz massiver Maßnahmen breitete sich das Coronavirus schnell in unserer globalisierten Welt aus, forderte in kürzester Zeit weltweit Millionen Tote und verursachte ökonomische Schäden in Milliardenhöhe. Doch woher kommt das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, das die Erkrankung COVID-19 verursacht? Und was können wir zukünftig tun, damit sich eine solche Krise nicht wiederholt?
Zoonosen: COVID-19 ist kein Einzelfall!
Mehr als 70 Prozent aller zoonotischen Erkrankungen stammen von Wildtieren. Dabei spielen nicht nur der Verzehr von Wildtieren und Wildtiermärkten in fernen Ländern eine bedeutende Rolle für die Ausbreitung von Krankheitserregern, sondern auch der Handel mit lebenden Tieren, unter anderem in Europa und den USA. Der erzwungene enge Kontakt zwischen Mensch und Wildtier hat bereits in der Vergangenheit mehrfach zur Übertragung von gefährlichen Krankheitserregern auf den Menschen geführt. Neben Säugetieren können beispielsweise auch Vögel, Reptilien, Zecken und Mücken den Menschen mit Erregern infizieren, teils mit tödlichem Ausgang. Zu den Zoonosen mit tödlichen Folgen gehören neben den durch Coronaviren verursachten Erkrankungen auch Ebola, AIDS, die Vogelgrippe sowie Infektionen mit Bornaviren und Affenpocken. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 gehört zu einer ganzen Familie von Coronaviren, die Wissenschaftler*innen schon seit vielen Jahren bekannt sind und Säugetiere und Vögel infizieren können. Bereits 2002/2003 bzw. 2012 erkrankten tausende Menschen an SARS bzw. MERS; beide Erkrankungen sind ebenfalls auf Coronaviren zurückzuführen und wurden von Fledertieren über Larvenroller bzw. Dromedare auf den Menschen übertragen.
Tierhandel: Einmal um die Welt
Bisher gehen Wissenschaftler*innen davon aus, dass COVID-19 ursprünglich von Fledertieren stammt und über einen Zwischenwirt auf den Menschen übersprang – für die These, es stamme aus einem Labor, gibt es keine Beweise. Welches Tier als Zwischenwirt diente, ist jedoch umstritten. Nachdem zunächst Schlangen und Schuppentiere im Gespräch waren, werden momentan Marderhunde diskutiert. Der genaue Übertragungsweg ist also bisher unbekannt. Doch eins ist ganz klar: Nicht die Tiere sind schuld, sondern wir Menschen! Wir erzwingen einen engen Kontakt mit Wildtieren, in dem wir in ihre Lebensräume eindringen, diese zerstören und Wildtiere einfangen oder töten, um sie um die ganze Welt zu handeln.
Artensterben fördert Pandemien
Menschen dringen immer tiefer in die Urwälder und Lebensräume von Wildtieren vor, dabei zerstören sie nicht nur Lebensräume, sondern kommen auch mit neuen Krankheitserregern in Kontakt. Die menschengemachte Zerstörung der Natur führt dazu, dass viele Arten aussterben oder aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES bezeichnet die direkte Ausbeutung der Natur als zweitgrößte Bedrohung für die Artenvielfalt. Dabei spielt die Artenvielfalt eine größere Rolle als den meisten bewusst ist. Denn in einem intakten Ökosystem leben viele verschiedene Arten; Krankheitserregern können sich so schwerer ausbreiten. Nimmt die Artenvielfalt jedoch aufgrund menschlicher Eingriffe wie Lebensraumzerstörung und Ausbeutung stark ab, leben weniger Arten in einem bestimmten Gebiet. Krankheitserreger können sich dort dann viel stärker ausbreiten und die Wahrscheinlichkeit, dass die Viren auf andere Tierarten oder eventuell sogar den Menschen überspringen, steigt deutlich an. Eine große Artenvielfalt und intakte Lebensräume stabilisieren also nicht nur Ökosysteme, sondern verringert auch das Risiko, dass Krankheiten auf den Menschen übertragen werden – Naturschutz ist Pandemieschutz.
Krankheitserreger unterscheiden nicht zwischen legalem und illegalem Handel
Durch die Coronakrise werden Rufe laut, den illegalen Tierhandel zu bekämpfen. Doch der Großteil des internationalen Wildtierhandels ist legal. Wildtiermärkte sind zwar aus Tier- und Artenschutzsicht unerträglich und inakzeptabel, aber eben nicht per se illegal. Die allermeisten gehandelten Tiere unterliegen weder nationalen noch internationalen Schutz-Bestimmungen – und selbst für geschützte Arten gibt es Ausnahmen, zum Beispiel wenn sie aus „Zuchtfarmen“ kommen. Ein wichtiger Faktor, der die Ausbreitung von Erregern und die Empfänglichkeit für Krankheiten beeinflusst, sind die problematischen Bedingungen im Tierhandel: Hier werden Wildtiere aus verschiedensten Regionen und Ländern, die sich in der Natur nie begegnen würden, auf engstem Raum und häufig unter unhygienischen Bedingungen zusammengepfercht. Die Tiere sind gestresst durch Fang, lange Transporte und Zwischenlagerung im Lauf einer oft langen Lieferkette. Viele von ihnen sind verletzt, ihr Immunsystem geschwächt; Bedingungen, wie sie übrigens nicht nur auf asiatischen Wochenmärkten, sondern auch im internationalen Heimtierhandel anzutreffen sind. Der Wildtierhandel bietet also eine ideale Brutstätte für die Verbreitung von Viren – und der allergrößte Teil dieses Handels ist bis heute kaum reguliert und legal.
Deutschland – Hauptabsatzmarkt für Wildtiere
Im Fall der Corona-Pandemie war vermutlich ein chinesischer Wildtiermarkt in Wuhan der Brandherd für die rasante Ausbreitung des Virus. Doch nicht nur auf asiatischen Wildtiermärkten wird nahezu alles angeboten, was die Natur hergibt: Auch die EU importiert Hunderttausende Wildtiere aus aller Welt, meist werden sie hierzulande als exotische Heimtiere gehandelt und gehalten. Deutschland ist einer der Hauptabsatzmärkte in der EU und beileibe nicht alle Tiere, die hierzulande online, auf Tierbörsen oder in Zoofachgeschäften angeboten werden, sind Nachzuchten. Jährlich werden Millionen Wildtiere aus der Natur gerissen und enden in deutschen Glaskästen und Käfigen. Über lange Transportrouten kommen Wildtiere aus aller Welt nach Europa.
Die Corona-Krise als Chance für einen präventiven Artenschutz
Es gab schon vor der Corona-Krise sehr gute Gründe, strenge Gesetze für Einfuhr und Handel von Wildtieren zu fordern – wie Tier- und Artenschutz, Lebensraumerhalt im Herkunftsland, Eindämmung invasiver Arten und Krankheiten, die heimische Arten befallen, aber auch Gesundheitsschutz. Mit der Corona-Krise haben die Gesundheitsaspekte und die massiven wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Folgen von Zoonosen weitere Aufmerksamkeit bekommen. Wir appellieren an die Politik, nun endlich auch Handel und Privathaltung exotischer Haustiere zu regeln. Die Politik muss jetzt handeln!
Das tut Pro Wildlife
Seit seiner Gründung 1999 setzt sich Pro Wildlife dafür ein, dass Tiere, Arten und Lebensräume geschützt werden. Pro Wildlife fordert den Handel mit und die Haltung von Wildtieren aus Artenschutz-, Tier-, Arten- und Naturschutzgründen sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken zu regulieren. Bisher haben Deutschland und die EU versäumt, den Handel und Import von Wildtieren zu regulieren. Jetzt ist es an der Zeit für die Politik, längst überfällige Gesetze zu erlassen, um die Artenvielfalt zu erhalten und gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier zu minimieren, denn Naturschutz ist Pandemieschutz. Pro Wildlife ist unter anderem Mitglied der vom Bundesentwicklungsministerium und Bundesumweltministerium initiierten Allianz gegen Gesundheitsrisiken im Wildtierhandel.