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Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Wolf in Deutschland ausgerottet. Etwa 100 Jahre lang gab es hierzulande keine Wölfe. In den letzten 20 Jahren sind die Wölfe aufgrund des europaweit geltenden Jagdverbotes wieder zurück gekehrt. Ein großer Erfolg für den Artenschutz! Doch polarisierte, vom Rechtsruck in Europa befeuerte Debatten und Entscheidungen gefährden das erfolgreiche Comeback des Wolfes.
Vergleiche der Nutztierschäden in verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass das Ausmaß der Schäden an Nutztieren nicht in erster Linie von der Größe des Wolfsbestandes in einem Land oder von der Anzahl der Nutztiere abhängen. Entscheidend ist, wie gut oder schlecht vor allem Schafe und Ziegen vor Wolfsübergriffen geschützt werden.
Quelle: Dokumentations- & Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
Der Wolf
Wölfe (Canis lupus) leben in Familienverbänden und haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Sie sind zudem sehr anpassungs- und lernfähig. Jede Wolfsfamilie besetzt ein mind. 200 Quadratkilometer großes Gebiet, das gegen fremde Wölfe verteidigt wird. Die Territorien überlappen sich nicht, so entsteht ein Flickenteppich aus aneinandergrenzenden Revieren.
Wölfe sind Teil eines gesunden Ökosystems
Die Natur funktioniert wie ein Uhrwerk. Wird ein Teil entfernt oder ein unpassendes hinzugefügt, dann läuft es nicht mehr rund. So geschehen in den letzten Jahrhunderten, in denen in Deutschland die großen Beutegreifer Wolf und Bär ausgerottet wurden.
Beutegreifer töten – im Gegensatz zu menschlichen Jägern – vor allem junge, kranke und schwache Tiere und halten so die Bestände der Beutetiere gesund. Auch das Verhalten der Beutetiere verändert sich mit der Anwesenheit eines tierischen Jägers. Beutetiere ändern ihre Routen, erscheinen unregelmäßiger an ihren Äsungsplätzen und meiden bestimmte Gebiete komplett. Das führt dazu, dass sich zum Beispiel junge Triebe entwickeln können, die sonst abgefressen würden.
Eine gefährdete Art
Einst war der Wolf eine der meist verbreiteten Säugetierarten. Als der Mensch begann, Land- und Viehwirtschaft zu betreiben, nahmen die Konflikte zwischen Mensch und Wolf zu. Immer wieder töteten und fraßen Wölfe das Vieh der Nutztierhalter. Somit begann die Verteufelung des Wolfes und die gnadenlose Verfolgung der Art. Der systematische Ausrottungsfeldzug begann gegen 1650. Abschussprämien und Schussgelder, die in dieser Zeit für viele ein halbes Vermögen bedeuteten, erhöhten die Attraktivität der Wolfsjagd und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es keine Wölfe mehr in Deutschland. Der letzte Wolf in Deutschland wurde 1904 abgeschossen.
Rückkehr dank Jagdverbot
Ein seit 1979 in Europa geltendes Jagdverbot hat dazu geführt, dass der Wolf um die Jahrtausendwende, 100 Jahre nach seiner Ausrottung, wieder nach Deutschland zuwandern konnte.
Die ersten Rückkehrer wanderten aus Polen in den Osten Deutschlands zu, in die Lausitz. Im Jahr 2000 gab es erstmals Wolfsnachwuchs in Deutschland. Seitdem ist der Bestand stetig angestiegen und die Rudel konnten sich ausbreiten. Für das Jahr 2022/2023 sind in Deutschland insgesamt 1.339 Wölfe bestätigt, darin enthalten sind 184 Wolfsrudel, 47 Wolfspaare sowie 22 sesshafte Einzelwölfe. Laut einer vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Auftrag gegebenen Studie von 2020 wäre in Deutschland theoretisch geeigneter Lebensraum für 700 bis 1400 Wolfs-Territorien vorhanden.
Die meisten Wolfsrudel leben in Brandenburg (52), gefolgt von Niedersachsen (39) und Sachsen (38). Auch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wurden Wolfsterritorien nachgewiesen.
Die jetzige deutsche Wolfspopulation ist eine von zehn teilweise voneinander isolierten Wolfspopulationen in Europa.
Schutz-Status in Europa unter Beschuss
Der Wolf ist in den meisten EU-Mitgliedsstaaten und vielen anderen europäischen Ländern streng geschützt. Dies regeln die Berner Konvention sowie die Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie der EU. In Deutschland ist der Wolf zudem durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Das bedeutet, Wölfe dürfen nicht gefangen, getötet, gestört oder gehandelt werden. Jedoch ist in genau geregelten Ausnahmen und mit behördlicher Genehmigung der Abschuss („Entnahme“) möglich, z.B. wenn Wölfe sich Menschen auffällig gegenüber verhalten, wiederholt empfohlene Herdenschutzmaßnahmen überwinden oder die Gefahr besteht, dass sie hohe wirtschaftliche Schäden anrichten.
Forderungen zur Lockerung des strengen Schutzes
Bauern- und Jagdverbände fordern seit langem wolfsfreie Zonen und eine Absenkung des Wolfs-Schutzstatus, in deren Folge eine reguläre Bejagung möglich wäre. Bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten sie damit Erfolg: Mitten im Europawahlkampf legte sie im Dezember 2023 einen Vorschlag für die Herabstufung des Wolfes von einer „streng geschützten“ zu einer lediglich „geschützten“ Art im Rahmen der Berner Konvention vor. Anfänglich stieß der Vorschlag auf mehrheitliche Ablehnung bei den EU-Umweltministern, doch nach monatelangem Druck der Kommission auf die Mitgliedsstaaten stimmte der EU-Ministerrat im September 2024 schließlich zu. Ausschlaggebend für die Entscheidung war ausgerechnet die Kehrtwende Deutschlands.
Im Dezember 2024 wird die Berner Konvention auf Vorschlag der EU über die Schwächung des Wolfs-Schutzes abstimmen. Wird dieser gelockert und im Anschluss daran auch die FFH-Richtlinie der EU angepasst, gibt dies den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, die Jagd auf Wölfe zu erlauben.
Pro Wildlife setzt sich gemeinsam mit mehr als 300 Tier- und Artenschutzorganisationen für die Beibehaltung des strengen Schutzes für Wölfe und einen besseren Herdenschutz ein
Der politisch motivierte Plan der EU zur Herabstufung des Wolfs-Schutzes:
- gefährdet das Comeback und die Ausbreitung des Wolfes in Europa
- untergräbt das erklärte Ziel, stabile Wolfsbestände wieder herzustellen und zu erhalten. In sechs von sieben biogeografischen EU-Regionen ist der geforderte günstige „Erhaltungszustand“ bislang nicht erreicht, auch in Deutschland nicht
- läuft wissenschaftlichen Erkenntnissen und Veröffentlichungen im Auftrag der EU zuwider
- leistet sinnloser Bejagung Vorschub, die nichts zum Schutz von Weidetieren beiträgt, weil Wolfs-Abschüsse die Risse von Weidetieren nicht wirksam reduzieren – sondern nur guter Herdenschutz
- ist ein Einfallstor für Pläne mancher EU-Staaten (und deutscher Bundesländer), die Schutzbestimmungen für weitere Arten wie Bär, Luchs, Fischotter und Biber abzubauen
- fügt der Glaubwürdigkeit der EU im internationalen Biodiversitäts-Schutz schweren Schaden zu
Das Image-Problem des Wolfs
In alten Märchen und Mythen wird der Wolf als blutrünstiges, grausames und hinterlistiges Tier beschrieben. Auch heute hält sich die Mär vom bösen Wolf, der Menschen angreift hartnäckig in den Köpfen mancher Menschen und Medien. Das Rotkäppchen von gestern sind die Zeitungsartikel von heute: „Erster offizieller Problemwolf – Wolf in Kindergarten gesichtet“, „Der Wolf kommt und bringt Probleme mit“, „Wolf auf Beutezug in der Siedlung“, „Angst vorm Wolf: Sachsens Jäger befürchten Angriffe auf Menschen“, „Hund die Pfote abgebissen – Dorf lebt in Angst vor Wölfen“.
Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Seit sich im Jahr 2000 wieder Wölfe in Deutschland angesiedelt haben, ist kein aggressives Verhalten der Tiere gegenüber Menschen bekannt geworden. 2023 wurde berichtet, dass ein Wolf einen Mann gebissen haben soll. DNA-Untersuchungen bestätigten eindeutig, dass es sich um einen Hund handelte.
Eine Gefahr für Mensch oder Haustier?
In den letzten 40 Jahren hat es in Europa keinen einzigen tödlichen Vorfall durch Wölfe gegeben. Auch in früheren Zeiten gab es selten Angriffe von Wölfen auf Menschen – und diese gingen höchstwahrscheinlich v.a. auf die heute in Europa fast ausgerottete Tollwut zurück. Deutschland gilt seit 2008 als tollwutfrei, alle bisher tot gefundenen Wölfe in Deutschland wurden negativ auf Tollwut getestet.
Bei richtigem Verhalten ist der Wolf keine Gefahr für Haushunde. Wenn Hunde von Wölfen angegriffen werden, dann nur, weil der Wolf die Hunde als Konkurrenz ansieht und sein Territorium verteidigen will. Allerdings sind diese Vorfälle in Deutschland extrem selten. Bei vielen Angriffen hat sich nach einer DNA-Analyse herausgestellt, dass die Haushunde nicht von Wölfen sondern von streunenden Hunden angegriffen wurden. Wenn Hundehalter sich mit ihren Hunden in Wolfsgebieten aufhalten, sollten sie ihre Tiere in der Nähe behalten und am besten anleinen.
Pferde sind nur selten von Wolfsangriffen betroffen, da die Tiere von Natur aus recht wehrhaft sind. Der NABU hat einen Leitfaden „Pferd und Wolf – Wege zur Koexistenz“ entwickelt, der Hilfestellung gibt. Zudem fördern die meisten Bundesländer auch Präventionsmaßnahmen für Pferde, wenn es zu Übergriffen von Wölfen gekommen ist.
Wölfe und Weidetiere
Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere sind die Hauptkonfliktquelle im Zusammenleben mit dem Räuber. Betroffen sind zum Großteil Schafe, zu einem wesentlich geringeren Anteil auch Rinder und Ziegen. In der EU stehen einem Bestand von etwa 20.300 Wölfen (Stand 2023) etwa 60 Millionen Schafe gegenüber.
In Deutschland und anderen europäischen Ländern, in denen der Wolf lange ausgestorben war, haben die Menschen das Zusammenleben mit dem Wolf verlernt. In den vergangenen 150 Jahren mussten die Weidetierhalter in Deutschland ihre Tiere nicht schützen, was natürlich eine Arbeitserleichterung bedeutete. In anderen Teilen Europas, wo der Wolf nie ausgerottet wurde, werden die Herden wie eh und je von Hirten und Herdenschutzhunden bewacht und während der Dunkelheit in Nachtpferchen gehalten. Die Art und Weise der Weidetierhaltung in Deutschland muss sich also wieder an die Anwesenheit von Wölfen anpassen.
Laut einer Analyse im Auftrag der EU-Kommission ist die Anzahl der Wolfsrisse insgesamt sehr gering. Zurückzuführen sind diese vor allem auf fehlende oder unzureichende Herdenschutzmaßnahmen. So waren bis Oktober 2023 in Thüringen bei 68% der Wolfsrisse die Weidetieren nicht durch wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahmen geschützt, in 21% der Fälle nur auf sehr geringem Niveau. Dies deckt sich mit Beobachtungen aus Niedersachsen: Dort wurden in 82% der Fälle Tiere angegriffen, bei denen es noch nicht einmal einen Grundschutz gab oder dieser beeinträchtigt war.
Effektiver Herdenschutz
Weidetiere müssen besser geschützt werden. Durch Schutzhunde und Herdenschutzzäune, die gewisse Anforderungen erfüllen. Der empfohlene Mindestschutz ist jedoch oft nicht ausreichend: Die meisten Bundesländer akzeptieren 90 cm hohe Elektronetze als Mindestschutz. Für die sichere Weidetierhaltung wird von Expert*innen hingegen ein 120 cm hoher Zaun mit 5 Stromlitzen empfohlen. Fälle, in denen Wölfe nachweislich wiederholt solche empfohlenen Schutzmaßnahmen überwinden, sind selten.
Wölfe, die immer wieder auf unzureichend geschützte Nutztiere treffen, lernen sehr schnell, dass diese leichtere Beute als Wildtiere sind. Um zu verhindern, dass Wölfe auf Weidetiere als Beute konditioniert werden, ist es nötig, dass im ganzen Vorkommensgebiet des Wolfes möglichst frühzeitig Präventionsmaßnahmen etabliert werden. In Bundesländern mit nachgewiesenen Wolfsterritorien können Nutztierhalter finanzielle Hilfen für Maßnahmen zum Herdenschutz beantragen.
Schadenausgleichszahlungen
Die EU hat zudem beschlossen, dass die Länder 100 % der Kosten für Vorsorgemaßnahmen und Schäden durch Wölfe übernehmen können – eine wichtige Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben zwischen Wolf und Weidetierhaltern. Im Jahr 2022 betrugen die Ausgaben der Bundesländer mit Wolfsvorkommen zusammen 18.428.830 Euro für Herdenschutzmaßnahmen. Im Vergleich dazu betrugen die Schadenausgleichszahlungen, bei denen ein Wolf als Verursacher nachgewiesen oder nicht ganz ausgeschlossen werden konnte, mit rund 616.413 Euro nur etwa ein Dreißigstel davon.
Was Pro Wildlife tut
Pro Wildlife setzt sich für den Schutz von Wölfen vor illegaler Verfolgung und für die Beibehaltung des strengen Schutzes in Europa ein.
Gemeinsam mit anderen Tier- und Naturschutzorganisationen fordern wir die EU und europäische Staaten auf, den strengen Schutz für Wölfe zu respektieren und den Schutz für Weidetiere zu verbessern.
- Brief an die Mitgliedstaaten der Berner Konvention (Dezember 2024) (>> PDF)
- Brief an die EU Mitgliedsstaaten zum Erhalt des strengen Wolfs-Schutzes in Europa (18.09.2024) (>> PDF)
- Brief an den EU-Ausschuss für Umweltfragen (>> PDF)
- Brief an EU-Kommissarin Ursula von der Leyen (>> PDF)
- Brief an die Schweiz zur Verhinderung des Massenabschusses von Wölfen (>> PDF)
- Brief an die EU-Kommission zur Beendigung der Jagd auf Wölfe und Luchse in Schweden (>> PDF)