Inhaltsverzeichnis:
Pelz – seit Jahren ein kontroverses Thema und doch nie aus der Mode gekommen. Tierlieben Menschen läuft es kalt den Rücken hinunter, wenn sie an die Bilder vom Elend auf den nordeuropäischen Fuchs- und Nerzfarmen oder an die unerträglichen Videos denken, wie wehrlose Marderhunde auf chinesischen Pelzfarmen totgeknüppelt werden. Pelz wird allerdings auch bei der Fallenjagd gewonnen…
Fallenjagd: Ein vergessenes Problem
In den letzten Jahren tauchten zunehmend Kojoten- und Fuchspelze in den Geschäften und auf Modenschauen auf. Pelze von Tierarten, die eben nicht alle auf Farmen gezüchtet, sondern auch in freier Natur von Fallenstellern gejagt werden. Daher begannen wir bei Pro Wildlife nachzuforschen: Welche Arten werden mit Fallen gejagt und welche Fallen kommen dabei zum Einsatz? Aus welchen Ländern stammen die Pelze? Welche Rolle spielt Deutschland in diesem brutalen Geschäft?
Anti-Pelz-Aufkleber
„Nicht dein Pelz“ und
„Sag nein zu Tierleid“:
10 x 10 cm,
2 x 5 Stück kostenlos bestellbar
Trapper und Pelztiere
Während weltweit ca. 15 Prozent aller Pelze im Handel aus der Wildnis stammen, sind es in Kanada und den USA sogar zwischen 30 und knapp 50 Prozent. In den USA haben mehr 200.000 eine Trapper-(Fallensteller-)Lizenz. In Kanada sind 60.000 kommerzielle Trapper aktiv. Gefangen wird vornehmlich im Winter, wenn das Fell der Tiere besonders dick und üppig ist.
Bis zu drei Viertel der Tiere, die kanadischen Trappern zum Opfer fallen, sind Bisamratten, Biber, Marder, Hörnchen oder Waschbär. Aber auch die Zahl der getöteten Kojoten hatte sich zwischen 2010 und 2015 von 55.000 auf 108.000 pro Jahr fast verdoppelt, ausgelöst durch den Modehype pelzbesetzter Parka-Kapuzen. Die Ankündigung insbesondere eines namhaften Herstellers dieser Jacken, zukünftig auf Pelz zu verzichten, führte zu einem Rückgang der Nachfrage. Beispielhaft dafür war eine Pelzauktion in Ontario 2022, auf der über 45.000 Kojotenpelze zum Verkauf standen, aber je nach Herkunft nur 15 bis 32 Prozent abgenommen wurden.
Humane Fallen? Theorie und Wirklichkeit
Doch woher stammen die Pelze? Seit 2007 sind zwar alle Trapper verpflichtet, nur noch als „human“ lizenzierte Fallen zu verwenden, allerdings wird dies nachweislich nicht konsequent umgesetzt. Das heißt, es werden weiterhin bereits verbotene oder nicht zertifizierte Fallen eingesetzt. Da von behördlicher Seite praktisch keine Kontrollen durchgeführt werden, wird den Trappern freie Hand gelassen. Doch selbst die als „human“ eingestuften Fallen bedeuten Tierleid:
- Schlagfallen sollen mit Stahlbügeln die Tiere möglichst am Genick erwischen – die verschiedenen Bügel-Durchmesser sollen sicherstellen, dass nur die gewünschte Art (z.B. Wiesel, Bisamratte, Biber, Otter, Waschbär) gefangen wird. Soweit die Theorie, doch in die Fallen können natürlich auch andere Tiere hineingeraten. Egal ob Zielart oder nicht: Wird ihr Genick nicht sofort gebrochen, sterben die Tiere alle einen qualvollen, langsamen Tod. Die Fallen für Bisamratten und Biber werden unter Wasser aufgestellt, was bedeutet, dass verletzte Tiere jämmerlich ertrinken.
- Nackenschlingen werden für große Pelztiere wie Kojote, Füchse, Rotluchs oder Wolf verwendet: Aufgehängt in Sträuchern oder am Boden ausgelegt, sollen sich die Schlingen mit einem Schnappmechanismus um den Hals der Beute legen. Es braucht wenig Fantasie, um zu ahnen, wie viele Tiere langsam stranguliert werden.
- Beinhaltefallen („Limb Holding Traps“) sind dafür gedacht, große Pelztiere lebend zu fangen. Ein gepolstertes Schlageisen soll Kojoten, Luchse oder Wölfe möglichst an Zehen oder Krallen festhalten. Insbesondere im tiefsten Winter, in meterhohem Schnee und bei langen Entfernungen ist die Gefahr groß, dass die Trapper nicht täglich ihre Runde drehen und alle Fallen überprüfen, wie es eigentlich Vorschrift wäre. Dann stecken die Tiere tagelang hilflos fest, oft unter großen Schmerzen – im Extremfall ein Sterben über mehrere Tage.
Eigentlich sollen Fallengröße und -position eingrenzen, welches Tier hineingerät. Aber zahlreiche Vorfälle mit Elchen, Rindern, Schafen, Hunden, Hauskatzen und sogar Adlern zeigen, dass die theoretische Selektivität der Fallen kaum der Wirklichkeit entspricht.
Kanadas Pelzindustrie im Sinkflug
Kanadas Pelzindustrie fußt sowohl auf Pelzfarmen als auch auf Fallenjagd. Während die 50 Nerz- und 35 Fuchsfarmen, die vornehmlich Amerikanische Nerze und Silberfüchse sowie Chinchillas züchten, vor der Corona-Pandemie durchschnittlich eine Milliarde Kanadische Dollar (ca. 700 Millionen Euro) erwirtschafteten, ist der Beitrag der Fallenjagd zur kanadischen Wirtschaft weit weniger transparent. Pelzauktionen offenbaren, welchen immensen Umfang die Fallenjagd noch immer hat.
So wurden allein auf der bereits erwähnten Auktion in Ontario 2022 u.a diese Mengen zur Versteigerung angeboten:
- 117.470 Bisamfelle
- 53.174 Biberfelle
- 23.734 Waschbärfelle
- 15.298 Hermelinfelle
- 14.224 Luchsfelle
Gleichzeitig zeigen die teilweise geringen Verkaufsraten und der Preisverfall die rückläufige Nachfrage: Die Bisamfelle waren nahezu unverkäuflich, von den Waschbärfellen wurden max. 30 Prozent abverkauft. Brachte ein Luchsfell in den 1980er Jahren durchschnittlich noch mehr als 1.000 US-Dollar, sind es heute weniger als 160 US-Dollar. Die Biberpelzpreise sinken seit Jahrzehnten. Auch die Auktionspreise waren gering. Waschbär- und Biberfelle wurden für gerade einmal vier bis 18 US-Dollar versteigert, Kojotenfelle brachten zwischen 17 und 50 US-Dollar und Hermelin- und Hörnchenfelle wurden für rund einen Dollar pro Stück geradezu verramscht. Bei diesen Preisen ist es nicht überraschend, dass die kanadische Regierung die Fallenjagd subventioniert, um sie am Leben zu halten. Sie zahlt Trappern fixe Preise für Pelze und kompensiert damit deren Verluste durch die sinkende Nachfrage.
Die EU als größter Absatzmarkt für geschützte Pelze
Genaue Importzahlen, welche Felle in welcher Anzahl importiert werden, liegen nur für die Arten vor, die durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (engl. CITES) geschützt sind. Im Kontext der Fallenjagd sind vornehmlich sieben CITES-gelistete Arten relevant, die international gehandelt werden: die beiden Luchsarten (Kanadischer und Rotluchs) sowie Fischotter, die alle aus Kanada und den USA exportiert werden, der Andenschakal, der Argentinische Kampffuchs und der Pampasfuchs, die ausschließlich aus Argentinien stammen, und schließlich das Feuerwiesel aus Russland.
Global betrachtet, wurden zwischen 2012 und 2021 mehr als 1,3 Millionen ganzer Felle nur dieser sieben Arten importiert. Die meisten landeten in der Türkei, gefolgt von China (mit Hongkong) und Griechenland.
Deutschland folgt auf Platz 4 mit 113.000 Pelz-Einfuhren geschützter Arten.
Nimmt man die Importe der EU-Staaten zusammen, so etabliert sich die EU als größter Absatzmarkt dieser Pelze. Bilanz: mehr als 455.000 ganze Felle sowie knapp 3.000 Stück und fast 4 Tonnen kleinerer Fellteile. Knapp 70 Prozent der Rotluchsfelle, 50 Prozent der Felle des kanadischen Luchses und mehr als jedes dritte Fell des Argentinischen Kampffuchses auf dem internationalen Markt gingen in die EU.
Für andere Arten wie Kojoten, Bisamratten, Waschbären oder Biber liegen keine solchen konkreten Zahlen vor – und auch die Datenbank des europäischen Statistikamtes EUROSTAT ist wenig aussagekräftig, da die Importe auf viele verschiedene Warengruppen verteilt sind und die Importe nicht pro Art erfasst werden. Diese Importe sind also im wahrsten Sinne des Wortes zahllos…
Deutschlands unrühmliche Rolle im Pelzgeschäft
Griechenland ist das europäische Zentrum der Pelzindustrie, gefolgt von Deutschland und der Modehochburg Italien. Bei allen sieben CITES-geschützten Arten ist die Bundesrepublik unter den Top 3 der Importeure. Während Griechenland vor allem Luchs- und Italien vornehmlich Schakal- und Fuchsfelle einführt, ist Deutschland alleiniger Importeur von 26.300 Feuerwieselfellen (2012-2021).
666 Leben für 1 Kilo Schweifhaare
Die meisten Pelze werden für die Modeindustrie importiert, doch die Schweifhaare des Feuerwiesels werden für die Herstellung hochwertiger Pinsel verwendet, insbesondere für die Aquarellmalerei. Zentrum dieser Pinselproduktion mit rund 30 Herstellern ist die Region um Nürnberg. Ein Kilo dieser Haare kostet 12.000 Euro, dabei können von einem Feuerwiesel gerade einmal 1,5 Gramm Schweifhaare gewonnen werden. Für ein Kilo Schweifhaare müssen somit mindestens 666 Feuerwiesel ihr Leben lassen.
30 Rotluchse für 1 Jacke
Labels wie Woolrich und Parajumpers leben gut von dem qualvollen Geschäft: Jacken mit Kragen und Kapuzen aus Fallenjagd, z.B. aus Waschbär oder Kojote, kosten zwischen 800 und 1.000 Euro. Jacken aus dem Pelz des Rotluchses können sogar Preise bis in den fünfstelligen Bereich erzielen! Die Tiere sind aufgrund ihres weichen Bauchfells und der attraktiven, seltenen Musterung besonders begehrt bei der internationalen High Society. Da vorrangig das Bauchfell benutzt wird, braucht es rund 30 Rotluchse für eine einzige Jacke. Der Pelz des nordamerikanischen Fischotters wird ebenfalls zu Jacken und vor allem zu klassischen Trapper-Mützen verarbeitet. Er wird weniger wegen seines Aussehens, sondern insbesondere wegen der extrem hohen Haardichte (50.000-80.000 pro cm²), die ihn besonders warm und wasserabweisend macht, sowie seiner Langlebigkeit gekauft. Ab 100 Euro gibt es das Trapper-Accessoire für die Großstadt bereits zu kaufen.
Das Märchen von der Nachhaltigkeit
Nachdem das Image der Pelzfarmen zurecht (!) kaum mehr zu retten ist, setzt die Industrie auf das angeblich nachhaltige Naturprodukt Wildtierpelz. Doch Pelz aus Fallenjagd ist aus Tier- und Naturschutzsicht ebenso wenig vertretbar wie aus Farmen. Das gerne vorgebrachte Argument, Kojoten, Bisamratten oder Waschbären seien „Schadtiere“ oder potenzielle Krankheitsüberträger und müssten deshalb dezimiert werden, sollte kritisch hinterfragt werden:
- Sind die immensen Kollateralschäden (bis zu 75 Prozent der in Fallen gefangenen Tiere sind sogenannte „Fehlfänge“, darunter sogar Adler oder Elche) akzeptabel?
- Wären nicht Verhütungsmittel oder Impfstoffe sinnvoller als wenig selektive Tötungen?
Hinzu kommt, dass diese Darstellung wichtige ökologische Grundregeln ignoriert: Da es sich bei den meisten bejagten Tierarten um Beutegreifer handelt, führt eine Regulation lediglich zur Verschiebung und Zerstörung natürlicher Gleichgewichte eines Ökosystems.
Auch muss das Naturprodukt Pelz für eine bessere Haltbarkeit behandelt werden. Dafür kommen häufig toxische Chemikalien zum Einsatz, die nicht nur der Gesundheit der Träger*innen, sondern auch Natur und Umwelt schaden können. Mit Nachhaltigkeit hat all dies wenig zu tun. Zum Glück erkennen dies zwischenzeitlich auch viele der großen Modelabels und nehmen Pelzprodukte aus ihren Kollektionen. Aber auch wir Kund*innen können unseren Beitrag leisten: Den Pelzanbietern nicht in die Falle gehen und Finger weg von Pelz!