Inhaltsverzeichnis:
Mit über 70 km/h Jagdgeschwindigkeit sind Makohaie die schnellsten aller Haie – und dennoch sind sie akut bedroht. Ausgerechnet die Europäische Union trägt die Hauptverantwortung für den Niedergang der Makohaie im Nordatlantik. Warum entscheidet eine Thunfisch-Konferenz über das Schicksal des Makohais? Und warum ignoriert die Fischerei-Abteilung der EU-Kommission Artenschutzbeschlüsse?
Mit bis zu vier Metern gehören Makos – neben Riesenhai, Walhai, Weißen Hai und Tigerhai – zu den größten Haiarten. Alle großen Haie sind bei Fischern als Lieferanten großer Flossen für den Markt in Fernost interessant – doch beim Mako lässt sich, im Gegensatz zu den meisten anderen Haien, zusätzlich auch das Fleisch gut verkaufen, v.a. an Restaurants und Fischtheken in Europa. Rund 10-12.000 Tonnen Fleisch und Flossen werden jährlich international gehandelt. Diese Menge entspricht in etwa 473.000 Makohaien. Deshalb ist die Art nach Jahren intensiver Befischung inzwischen vom Aussterben bedroht.
Makohaie stehen am Rand der Ausrottung
Makohaie vermehren sich nur langsam und können deshalb den massenhaften Fang in der kommerziellen Fischerei nicht verkraften. Offiziell werden Makos nicht gezielt befischt, sondern sind „nur“ Beifang der Langleinen-Fischerei auf Thun- und Schwertfisch. Aber wegen ihres hohen Marktwertes sind Makos eine mehr als willkommene Beute: In spanischen Supermärkten kostet ein Kilogramm frisches Mako-Fleisch um die 13 Euro. Solange Makos vermarktet werden dürfen, haben die Fischer also keinen Anreiz, noch lebende Tiere vom Haken zu befreien. Stattdessen werden sie an Bord gehievt. Insider-Informationen zufolge fischen die Boote sogar besonders gerne in Gebieten, wo die Aussicht auf besonders viel „Beifang“ hoch ist. Auch die Trophäenjagd auf See bedroht den Mako: Bei Sportfischern gilt er wegen seiner Größe und Schnelligkeit als begehrte Herausforderung. Die Überfischung ließ die Mako-Bestände weltweit in den vergangenen 75 Jahren um 50 bis 79 Prozent einbrechen. Im Mittelmeer sind Makohaie bereits so gut wie ausgestorben. Aus diesem Grund änderte die IUCN (Weltnaturschutzunion) 2019 Jahr die Einstufung von „gefährdet“ (vulnerable) zu „stark gefährdet“ (Endangered).
Schutzbestimmungen werden umgangen
Seit 2019 sind Makohaie, auch dank unserer Arbeit, auf Anhang II des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) gelistet. Das bedeutet, dass sie nur noch auf der Hochsee gefangen oder international gehandelt werden dürfen, wenn dieser Fang ökologisch nachhaltig erfolgt. Dies muss wissenschaftlich nachgewiesen sein. Weil das für den Mako nicht möglich ist, beschlossen die EU-Artenschutzbehörden Ende 2020 ein Anlandeverbot aus hoher See; in küstennahen Gewässern greift CITES als Abkommen für den internationalen Handel leider nicht. Makos sind zwar Hochseehaie, man sieht sie selten in der Nähe der Küste – aber die Fischer in Spanien und Portugal landen seit dem CITES-Anlandeverbot aus hoher See nun nur noch offiziell Tiere an, die angeblich „in Küstengewässern“ gefangen wurden. Mangels Überwachung auf See kann man den Fischern den Betrug jedoch kaum nachweisen. Statt die Entscheidung der EU-Artenschutzbehörden für einen Anlandestopp zu akzeptieren, beschloss die EU-Fischereiabteilung Anfang 2021 eigenmächtig eine jährliche Fangquote von 500 Tonnen Makos.
Wissenschaft fordert Anlandeverbot im Nordatlantik
Bereits seit 2017 fordert der Wissenschaftsausschuss von ICCAT, dass im Nordatlantik keine Makos mehr angelandet werden dürfen. ICCAT steht für “International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas” und regelt Fang mit Thunfischen sowie andere im Atlantik gefangene Fischarten wie Schwertfisch und Haie. Alle gefangenen Makos sollen laut ICCAT-Wissenschaftsausschuss sofort zurück ins Wasser geworfen werden; immerhin haben noch lebende Tiere eine Überlebenschance von über 60 Prozent.
Nach Meinung der Wissenschaftler wie auch von den Naturschutzorganisationen ist die Rückwurfpflicht auch für bereits tote Haie notwendig, um jegliche Versuchung auszuschalten, lebende Makos zurückzuhalten und zu töten. Die Fischer lehnen das vehement ab, denn für sie ist jeder Mako am Haken ein willkommener Zusatzverdienst – und die Kontrollmöglichkeiten auf hoher See und in den Häfen sind sehr begrenzt. Von Insidern wissen wir, dass Fischer noch lebende Mako-Beifänge häufig töten, um sich ein lukratives Zusatzgeschäft zu sichern.
ICCAT 2021: Durchbruch für den Schutz des Mako
Um die Blockadehaltung der EU-Kommission für ein konsequentes Anlandeverbot doch noch zu ändern, brauchte es Druck auf allen Ebenen und in einem breiten Bündnis. Im Mai veranstaltete Pro Wildlife mit dem portugiesischen EU-Parlamentarier Francisco Guerro ein hochkarätiges Webinar, in dem die Kommission in Erklärungsnot geriet. Unsere Schreiben an EU-Vizepräsident Frans Timmermans, die Teilnahme an relevanten ICCAT-Zwischentreffen, unsere Zusammenarbeit mit EU-Artenschutzbehörden u.a. zeigten schließlich Wirkung:
Bei zwei ICCAT-Zwischentreffen im Juli und im Oktober 2021 lehnte der EU-Chefverhandler immer noch den Antrag von Kanada, Senegal und Großbritannien auf eine Nullquote im Nordatlantik ab und spielte auf Zeit. Unterstützt wurde die EU in ihrer Blockadehaltung v.a. von den USA, die zwar kein großes Interesse am Mako als Speisefisch haben, wo aber Makohaie begehrte Beute von Trophäenfischern sind. Doch das ICCAT-Haupttreffen im November brachte den Makohaien eine dringend notwendige Verschnaufpause: Nach all den harten Verhandlungen der Vormonate konnte nun ein Fangstopp im Nordatlantik zumindest für 2022 und 2023 ausgehandelt werden. Nun gilt es es, diese Fangpause weiter zu verlängern sowie den Raubbau im Südatlantik zu beenden, wo Makos derzeit noch ohne jede Quote gefangen werden dürfen.
Was tut Pro Wildlife?
Wir fordern neben Maßnahmen zur Verringerung des Beifangs ein sofortiges und lückenloses Anlandeverbot für den Makohai im Nordatlantik! Damit die EU-Fischereiabteilung doch noch ihre Position ändert, haben wir im September auf höchster EU-Ebene, beim Vize-Präsidenten Frans Timmermans, offiziell Beschwerde eingereicht.
Im November 2021 nahmen wir erneut an den ICCAT-Verhandlungen teil – und bereits im Vorfeld übten wir Druck auf die EU aus, ihre Position zu überdenken. Hierbei half uns unter anderem ein Rechtsgutachten der Universitäten Hamburg, Leeds Beckett und Oxford, das in der EU-Blockade eines Anlandestopps gar einen Verstoß gegen internationales Fischereirecht sieht. Quasi in letzter Minute unterstützte die EU auf dem ICCAT-Meeting doch noch einen zweijährigen Fangstopp für den Nordatlantik.
Unser nächstes Ziel ist es nun, endlich auch den Fang der Makos im Südatlantik zu begrenzen. Die Wissenschaft empfiehlt hier den maximalen Fang von 2001 Tonnen jährlich. Doch bislang gibt es dort keinerlei Fangbeschränkungen – und die EU ist dank Spanien und Portugal auch im Südatlantik der größte Makofänger…