Inhaltsverzeichnis:
Invasive Arten
- Definition: eine Art, die in fremdem Gebiet überlebt und sich fortpflanzt
- Ursachen: weltweiter Warenverkehr; Fernreisen; Handel mit exotischen Haustieren
- Gefahr: Schädigung der natürlich vorkommenden Ökosysteme; Verdrängung einheimischer Arten; gesundheitliche Bedrohung für Menschen und Tiere
Viele Tierarten wandern, um sich erfolgreich fortzupflanzen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher ist es ganz normal, dass Tiere und Pflanzen neue Lebensräume besiedeln. Diese Fähigkeit wird auch angesichts des Klimawandels zur Erhaltung von Arten immer wichtiger werden. Organismen wandern allerdings normalerweise lokal, meist über kurze Distanzen in Gebiete mit ähnlichen Bedingungen, wobei Meere und Gebirge seit jeher natürliche Barrieren bilden. Diese sind für die meisten Arten unüberwindbar und grenzen verschiedene Lebensräume voneinander ab – wäre da nicht der Mensch. Er hilft vielen Tierarten bewusst oder unbewusst beim Wandern und bringt sogenannte invasive Arten in neue Lebensräume.
Vor allem seit mithilfe von Schifffahrt und Flugverkehr große Distanzen in kurzer Zeit spielerisch überwunden werden können, werden immer mehr Tier- und Pflanzenarten aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet an weit entfernte Orte gebracht, in die sie von selbst gar nicht gelangen könnten. Dies geschieht manchmal unbewusst, häufig werden sie aber auch aktiv durch den Mensch transportiert.
Viele dieser Arten haben unerwünschte Auswirkungen auf ihren neuen Lebensraum sowie die dort heimischen Arten und breiten sich rasant und massenhaft aus. Sie werden als invasive Arten oder auch „alien species“ bezeichnet, die die biologische Vielfalt und die heimischen Ökosysteme gefährden und weltweit Schäden in Milliardenhöhe verursachen. Der IPBES-Bericht zu invasiven Arten zeigte auf, dass bei mindestens 60 Prozent der ausgerotteten Pflanzen- und Tierarten invasive Arten eine entscheiden Rolle spielten. Bei 16 Prozent sind invasive Arten sogar die einzige Ursache für die Ausrottung heimischer Arten. Darüber hinaus zeigt der Bericht auf, dass sich die globalen Kosten für negativen Auswirkungen, Prävention und Management invasiver Arten 2019 auf über 423 Milliarden USD beliefen. Allein in der EU beliefen sich die finanziellen Schäden durch invasive Arten zwischen 1960 und 2020 auf mindestens 116,61 Milliarden Euro, Tendenz stark steigend.
Woher kommen invasive Arten?
Schon vor tausenden Jahren sind Nutztiere von Asien nach Europa gebracht worden. Die Römer lieferten uns viele Kulturpflanzen wie Apfel, Birne und Pflaume, Getreidearten wie Weizen und Gerste sowie Heilpflanzen und Blumen. Die Wikinger brachten mit ihren Schiffen Arten wie die Sandklaffmuschel an die Küsten Nordeuropas.
Erst seit der Kolonialzeit und der Entdeckung Amerikas 1492 etablierten sich jedoch global immer mehr Handelsrouten und viele Organismen wurden in der Welt verstreut. So wurden vor allem Kulturtiere wie Ziegen, Schafe und Rinder aus Europa und Asien in den Rest der Welt verfrachtet, um als Nahrungsquelle zu dienen. Europa siedelte beispielsweise Fasan und Mufflon für die Jagd an; Regenbogenforelle, pazifische Auster und Königskrabbe wurden zu Speisefisch; Bisam, Nutria, Nerz, Marderhund und Waschbär wurden als Pelzlieferanten eingeführt. Als Pelze zwischenzeitlich aus der Mode kamen, wurden diese Tiere einfach in die Natur entlassen und sorgen dort durch ihre Lebensweise oft für großen Schaden.
Andere Arten wurden ausgesetzt, um als natürliche Waffe die Landwirtschaft zu optimieren oder die Natur nach den Wünschen des Menschen zu verändern. Ein Beispiel ist der asiatische Marienkäfer, der als effizienter Blattlausvertilger dienen sollte – oder der Graskarpfen, der zur Bekämpfung von Wasserpflanzen eingeführt wurde. Auch der Trend im Garten- und Waldbau, lieber ausländische exotische Zier- und Teichpflanzen anzusiedeln, ist ein großer Eingriff in unsere Natur. So gelten das indische Springkraut, die Robinie oder der Riesen-Bärenklau als besonders invasive Arten in Deutschland.
Exotenhandel schleust immer neue Arten ein
Da seit Jahren der exotische Heimtierhandel boomt, werden auch hierüber vermehrt gebietsfremde Arten in Umlauf gebracht. Viele Halter*innen sind schnell mit dem neuen Haustier überfordert, haben die Kosten oder die Haltungsanforderungen unterschätzt und setzen die erworbenen Tiere einfach im nächsten Wald oder Teich wieder aus; andere Tiere entkommen. Schildkröten, Kaimane und andere Exoten sind deshalb in unserer Natur zu finden. Reptilien im sechsstelligen Bereich werden jedes Jahr nach Deutschland importiert. Da ist es kaum verwunderlich, dass viele dieser Exoten in unserer Natur landen. Kalifornische Kettennattern schlängeln sich durch Deutschland und haufenweise ausgesetzte Schmuckschildkröten vertilgen heimische Amphibien- und Insektenlarven.
Durch asiatische Molche gelangte auch ein sehr aggressiver Hautpilz nach Deutschland, der „Salamanderfresser“ (Batrachochytrium dendrobatidis). Dieser Pilz sorgte bei unseren Nachbarn in Belgien und den Niederlanden bereits für einen regelrechten Kollaps der Feuersalamander-Bestände. Generell kann der Pilz sogar andere Schwanzlurcharten befallen und stellt eine große Bedrohung für die heimische Amphibien-Fauna dar.
Heutzutage nimmt durch den anwachsenden globalen Handel und Tourismus die unbewusste Verbreitung immer weiter zu. Im Stauraum zwischen der Handelsware gelangen viele Arten durch den Flugverkehr in andere Gebiete. Die Hauptrolle im internationalen Güterhandel spielt allerdings die Schifffahrt, denn etwa 90 Prozent aller internationalen Handelsgüter werden mit dem Schiff transportiert. Daher sind gerade auch aquatische Lebensräume durch die Einfuhr invasive Arten gefährdet. Organismen reisen am Schiffsrumpf oder im Ballastwasser der großen Tanks als blinde Passagiere mit.
Mehr als zehn Milliarden Tonnen Wasser werden jährlich um die Welt geschifft und so reisen täglich etwa 7.000 Arten um den Globus. Neben Algen, wirbellosen Tieren und Fischen gelangen so auch Viren und Bakterien in fremde Gewässer. Der Bau von Kanälen sorgt für zusätzliche Verbreitung. Chinesische Wollhandkrabbe, amerikanische Rippenqualle und giftiges Plankton gelangten so nach Europa und verdrängen und vernichten dort viele Arten.
Warum sind „Aliens“ eine Gefahr für einheimische Tiere?
Wer durch Europas Städte, Wälder und Landschaften wandert, dem fällt es schwer, noch sicher zu sagen, welche nun eigentlich einheimische Arten sind. So werden manche einheimische Arten gar fälschlicherweise als gebietsfremd abgestempelt: wie das Eichhörnchen, das dem kanadischen Grauhörnchen sehr ähnlich sehen kann.
Das Bundesamt für Naturschutz geht davon aus, dass sich in Deutschland bereits rund 1.200 invasive Tier- und Pflanzenarten etabliert haben (vermutlich sind es weitaus mehr, aber der Nachweis fehlt noch). Das heißt, dass sie sich fortpflanzen und langfristig in ihrem neuen Lebensraum überleben können. Besonders gut gelingt dies dort, wo Menschen die natürlichen Ökosysteme verändert und durch ihr Eingreifen geschwächt haben.
Viele invasive Arten finden hier ähnliche Lebensbedingungen wie in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet vor. Allerdings fehlen die natürliche Regulatoren wie Pathogene, Parasiten und Fressfeinde und so können sich invasive Arten ungehindert vermehren. Sie konkurrieren mit einheimischen Arten um ohnehin immer knapper werdende Ressourcen und Lebensraum, sind oft gut angepasst, widerstandsfähig und verdrängen viele einheimische Arten. So fraßen eingeschleppte Nutztiere ganze Inseln leer und beraubten die einheimischen Arten ihrer Lebensgrundlage.
Um der Bedrohung durch invasive Arten zu begegnen, hat die EU 2016 die sogenannte Unionsliste invasiver Arten veröffentlicht. Für die Arten auf der Liste besteht ein Handels-, Haltungs- und Zuchtverbot, die einzige Ausnahme bilden Altbestände, die bis zu ihrem Tod weiter gehalten werden dürfen. Aktuell umfasst diese Liste 88 Tier- und Pflanzenarten (Stand August 2022). Darunter befinden sich auch Arten, die als exotische Haustiere in die EU importiert wurden, zum Beispiel das Finlayson-Hörnchen (Callosciurus finlaysonii), die Kalifornische Kettennatter (Lampropeltis californiae), der Zwergwels (Ameiurus melas) und verschiedene Ameisenarten. Invasive Arten können sich also nicht nur aufgrund des internationalen Warenverkehrs immer leichter ausbreiten, auch der weltweite Handel mit exotischen Haustieren trägt zur Verbreitung invasiver Arten bei. Mithilfe der Unionsliste will die EU die Ausbreitung invasiver Arten eindämmen. Doch auf der Verbotsliste werden ausschließlich Arten ergänzt, für die wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass sie invasiv sind und bereits Schäden verursacht haben. Arten- und Naturschutzorganisationen kritisieren jedoch, dass diese Maßnahmen viel zur kurz greifen und dem Vorsorgeprinzip der EU widersprechen. Außerdem umfasst die Liste nur einen Bruchteil der EU-weit als invasiv angesehen Arten.
Krankheiten wandern mit
Einige eingebrachte Arten stellen als Fressfeinde eine Bedrohung für einheimische Arten dar. Sie bringen nicht selten Krankheiten und Parasiten mit, gegen die sie selbst immun sind, unsere einheimische Arten jedoch nicht. So sorgten Ratten, die mit den Schiffen auf entlegenen Inseln kamen, für den Verlust von am Boden brütenden Vogelarten; Katzen vertilgen jährlich zahllose bedrohte Reptilien in Australien. Der Asiatische Marienkäfer dezimierte durch einen eingeschleppten Parasiten den europäischen Marienkäfer stark und der nordamerikanische Flusskrebs war aufgrund eines eingeschleppten Pilzes Schuld am Rückgang der einheimischen Art. Auch für uns Menschen können invasive Arten in Deutschland eine gesundheitliche Gefahr darstellen. Vor kurzem landete beispielsweise die Tigermücke in den Schlagzeilen, die Überträger des gefährlichen Zika- und Dengue-Virus ist.
Einkreuzungen der Gene gebietsfremder Arten können zu schleichenden genetischen Veränderungen und dem Verlust genetischer Vielfalt einer Art führen. Negative Auswirkungen auf Ökosysteme können auch Veränderungen in Wasserhaushalt, Vegetationsstruktur oder Nährstoffdynamik sein. Neben ökologischen Auswirkungen und Gefahren für den Menschen richten invasive Arten in Deutschland auch massive ökonomische Schäden an. So führen zum Beispiel eingeschleppte Schädlinge wie der Maiswurzelbohrer, die Kastanienminiermotte oder die Schiffsbohrmuschel zu hohen wirtschaftlichen Einbußen.
Maßnahmen gegen invasive Arten
Nicht alle eingebrachten Tiere sind eine Bedrohung für unser Ökosystem. Laut Bundesamt für Naturschutz sorgen nur etwa zehn bis 15 Prozent der gebietsfremden etablierten Tier- und Pflanzenarten in Deutschland für Probleme bei einheimischen Tieren und Pflanzen. Findet eine Art jedoch einen geeigneten Lebensraum vor und etabliert sich dort, ist es oft zu spät und sehr teuer, eine Invasion zu verhindern. Schnelles Handeln ist wichtig, denn jede Art hat andere Auswirkungen auf das Ökosystem und diese sind schlecht vorhersehbar. Deshalb sollte die Einfuhr und Einschleppung gebietsfremder Arten möglichst früh verhindert werden, um die heimischen Ökosysteme und deren Arten zu schützen. Doch wirklich wirksame Präventivmaßnahmen, wie zum Beispiel ein Einschränken des Handels mit exotischen „Haustieren“ und Zierpflanzen, wurde von den EU bisher leider nicht eingeführt…
Bei ökologisch, ökonomisch und für den Mensch gefährlichen Arten wird auch regulativ eingegriffen. Hierbei werden leider oftmals auch letale Maßnahmen angewendet. Pläne, gebietsfremde Tiere wieder auszurotten und aktiv zu bejagen, stoßen bei Anwohnern oft auf großen Widerstand. So sind Waschbär und Grauhörnchen tabu, während die Tigermücke und den als „Killershrimp“ bezeichnete Höckerflohkrebs wohl kaum jemand vermissen würde.
Da viele Arten unbewusst verbreitet werden, sind Konventionen wie die zum Erhalt der biologischen Vielfalt nicht mehr ausreichend. Mittlerweile gibt es auch internationale Bemühungen und Maßnahmenkataloge, um invasive Arten besser zu erkennen und zu bekämpfen. Die Einfuhr vieler Meeresbewohner soll künftig durch die Reinigung der Ballastwassertanks mit Filtersystemen, Chemikalien und UV-Strahlung verhindert werden. Leider sträuben sich viele Länder noch gegen die teure Aufrüstung der Schiffe.