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Seit Sommer 2017 werden im Zoo Berlin wieder zwei große Pandabären zur Schau gestellt: Jiao Qing und Meng Meng. Während die ersten Tiere, die als Staatsgeschenk 1980 nach Berlin kamen, niemals Nachwuchs hatten, brachte Meng Meng im August 2024 bereits das zweite Mal Jungtiere zur Welt, gezeugt mittels künstlicher Befruchtung.
Zucht am Fließband
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten 126 Große Pandas in Gefangenschaft, mittlerweile sind es rund 700. Dabei bekommen Pandas in Gefangenschaft nur selten auf natürlichem Wege Nachwuchs. Chinas Panda-Zuchtstationen haben sich daher auf die künstliche Befruchtung der Tiere spezialisiert. Eine Prozedur, die alles andere als tiergerecht ist: Eine Auswertung der New York Times (Video) von Zoodokumenten und veterinärmedizinischen Protokollen berichtet von unzureichend betäubten Tieren, verbrannten Genitalien, Verletzungen und einem Todesfall. Doch nicht nur Chinas Zuchtstationen wenden diese zweifelhafte Methode an, auch Zoos in Amerika und Europa, wie zum Beispiel der Zoo Berlin, lassen eigens „Sperm-Teams“ aus China einfliegen, um für Nachwuchs bei Pandas zu sorgen. Denn Panda-Jungtiere sind begehrt, sorgen sie doch für mediale Aufmerksamkeit, Besucherrekorde und Umsatz im Zoo-Souvenirshop. Schon kurz nach der Geburt seiner jüngsten Panda-Zwillinge bot der Zoo Berlin exklusive Pandatouren an, für 460 Euro pro Stunde!
Während der Zoo Berlin zu den monetären Details der Pandahaltung schweigt, berichten andere Zoos ganz offen, dass sich mit den schwarz-weißen Bären Besucher- und Einnahmenrekorde erzielen lassen.
Politik und Profit statt Artenschutz
Weltweit werden derzeit rund 56 Pandas in Zoos außerhalb Chinas gehalten. Sie alle sind lediglich Leihgaben, für die eine Gebühr von rund 1 Millionen Euro pro Jahr und Elternpaar an China gezahlt werden muss. Für den Nachwuchs wird laut Medienberichten eine Extra-Gebühr von 800.000 Euro pro Jungtier fällig. Auch sie sind Eigentum des chinesischen Staates und müssen dorthin zurückgegeben werden.
Die Haltungsbedingungen scheinen für den Verleih der tierischen Diplomaten wenig relevant zu sein: So findet man die scheuen Waldbewohner nicht nur umgeben von künstlichen Pagodenmitten in Berlin, sondern auch in einem futuristischen Betonklotz im heißen Wüstenstaat Katar.
Panda-Diplomatie
Tatsächlich sind für die Abgabe von Pandas an ausländische Zoos die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und dem Empfängerstaat ausschlaggebend. Dies wird gemeinhin als Panda-Diplomatie bezeichnet.
Die Abgabe zweier Pandas an den Zoo Berlin wurde von der damaligen Kanzlerin Angela Merkel persönlich anlässlich eines Staatsbesuchs in Peking auf den Weg gebracht. Zu der Eröffnung des rund 10 Millionen Euro teuren „Panda-Garden“ im Jahr 2017 reiste Chinas Staatschef Xi Jinping persönlich an. In seinem Beisein würdigte Kanzlerin Merkel Jiao Qing und Meng Meng als „sehr sympathische Diplomaten“, die „symbolisch für die Freundschaft zwischen Deutschland und China“ stehen.
„Wir sehen nur das Schöne, das, was uns glücklich macht, also die niedlichen Pandas. Dabei vergessen wir vielleicht die problematischen Aspekte unserer Beziehungen mit China.“
Claus Soong, Politikwissenschaftler im Mercator Institute for China Studies
In den 1970er Jahren fing China für seine Panda-Diplomatie die Tiere zu Dutzenden in den Wäldern. Mehr als siebzig Bären wurden allein für die Abgabe an ausländische Zoos eingefangen. Zusammen mit Umweltverschmutzung und der Zerstörung des Lebensraums trug dies zu einem massiven Rückgang der Panda-Population bei.
Symboltier des Artenschutzes
Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Panda in Europa und den USA zu einem Symboltier für den Kampf gegen das Artensterben. Für seine Rettung wurde eine Vielzahl an Spendenkampagnen ins Leben gerufen. Viele Millionen flossen seither in ein Land, das wegen Menschenrechtsverletzungen, totalitärer Überwachungsmethoden, massiver Umweltverschmutzung und seiner Beziehungen zu Russland weltweit in der Kritik steht. Auch die Panda-Leihgebühren ausländischer Zoos, geschätzt ein zweistelliger Millionenbetrag jährlich, fließen in die Panda-Politik Chinas.
Die Bestandszahlen des Großen Pandas werden alle 10 Jahre von Chinas Regierung erhoben, zuletzt 2013, das Ergebnis waren 1864 Tiere (IUCN). Aber diese Zahl ist wissenschaftlich umstritten, denn wie sie erfasst wurde, ist unbekannt. Zudem ist sie hoch politisch, gilt der Panda doch als das Symboltier für den Artenschutz, für dessen Schutz Spenden von vielen Millionen nach China geflossen sind.
Panda-Auswilderung: eine traurige Bilanz
Die Panda-Zuchtstationen haben sich mittlerweile zu einer beliebten Touristenattraktion und damit einer zusätzlichen Einnahmequelle entwickelt. Dank künstlicher Befruchtung weisen sie eine beachtliche Nachzucht-Bilanz auf, doch die Zahl der Auswilderungen ist extrem bescheiden.
Laut der staatlichen Forstverwaltung in China wurden zwischen 2003 und 2018 nur 12 Pandas ausgewildert. Zwei der Tiere starben innerhalb kürzester Zeit, sechs weitere starben bereits vor der Auswilderung im Rahmen des Trainings für die Auswilderung. Ob die ausgewilderten Tiere in Freiheit überlebt und sich vermehrt haben und damit zum Erhalt der Population beitragen, ist unbekannt. Die Sender, mit denen sie ausgestattet wurden, haben nur eine Haltbarkeit von etwa 18 Monaten, danach verliert sich ihre Spur.
Insgesamt wurden einer aktuellen Recherche zufolge mehr Pandas aus der Natur entnommen als ausgewildert. Denn auch wildlebende Pandas, die krank oder verletzt gefangen wurden, ließ man oftmals nicht wieder frei, sondern setzte sie für die Zucht ein.
Von den in Europa und Amerika mit viel Geld und Mühe nachgezüchteten Pandas, wurde bisher kein einziges Tier ausgewildert. Dies ist wenig verwunderlich, sind die Tiere doch unter absolut artwidrigen, künstlichen Bedingungen aufgewachsen. So wie die jetzt im Zoo Berlin geborenen Panda-Zwillinge, die schon kurz nach der Geburt regelmäßig der Mutter weggenommen, von den Pfleger*innen gemessen, gewogen und in einem Inkubator untergebracht wurden. Nur um sie wenige Wochen später vor großen Menschenmassen zu Schau zu stellen. Angesichts dieser Umstände ist nachvollziehbar, dass rund zwei Drittel der scheuen Waldbewohner in Gefangenschaft schwere Verhaltensstörungen zeigen.
Artenschutz sieht anders aus
Mit Artenschutz hat die Pandahaltung und -zucht in Gefangenschaft nichts zu tun. Vielmehr geht es um Profit, Prestige und Politik. Während derzeit über 3.000 Tierarten akut vom Aussterben bedroht sind, werden viele Millionen Euro für die Haltung und Zucht einer einzigen Art ausgegeben, die sich aufgrund ihres niedlichen Aussehens besonderer Beliebtheit erfreut.
Der als Artenschutz bejubelte Zuchterfolg täuscht dabei über die wirkliche Problematik hinweg: Nur wenn es gelingt, Lebensraum und Wanderrouten der Tiere in China zu erhalten, können die Großen Pandas vor dem Aussterben bewahrt werden. Dazu wären effektive Schutzgesetze notwendig, die den Schutz der Natur in China voranbringen und die Umweltzerstörung eindämmen. Ansonsten werden Pandas trotz der vielen Millionen, die für den Erhalt der Art gespendet wurden, irgendwann nur noch als traurige ‘Diplomaten‘ hinter Gittern leben.