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+++ Ende Mai 2024 hat das Kabinett einem Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes zugestimmt. Die jetzt beschlossene Version stellt beim Wildtierschutz in vielen Bereichen eine Verschlechterung zum bereits unzureichenden ersten Entwurf dar. Als Nächstes folgt der parlamentarische Prozess. Hier haben wir nochmal die Möglichkeit, Verbesserungen in das neue Tierschutzgesetz einzubringen und dafür zu sorgen, dass das Tierschutzgesetz seinem Namen gerecht wird. +++
Qualzucht: Was ist das?
Haus- und Wildtiere sowie Tiere in der Landwirtschaft sollen immer häufiger den Wünschen des Menschen angepasst werden. Nicht nur optisch werden die Tiere „optimiert“, beispielsweise ist in der Landwirtschaft auch eine hohe Leistungsfähigkeit gefragt.
Doch ab wann spricht man von einer Qualzucht? Wenn die Zucht von Tieren mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen einhergeht, handelt es sich um eine Qualzucht. Diese sind jedoch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen, gerade bei Reptilien und Amphibien ist es für Laien häufig schwer ersichtlich. Qualzuchten weisen eine Vielzahl an Krankheitsbildern auf, unter anderem leiden die Tiere häufig unter Atemnot, Entzündungen, Gelenks- oder neurologischen Erkrankungen.
Sind Qualzuchten verboten?
In Deutschland sind Qualzuchten nach §11b des Tierschutzgesetzes zwar eigentlich verboten, die Formulierungen sind jedoch viel zu schwammig, wodurch der Vollzug durch die Behörden stark erschwert wird. 1999 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium daher ein Gutachten zum Thema Qualzucht veröffentlicht. Mittlerweile ist dies jedoch stark veraltet und müsste dringend den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend angepasst werden. Außerdem fehlen spezifische Informationen zu einzelnen Tiergruppen, beispielweise Reptilien, Amphibien und Fische.
Reptilien und Amphibien: Das angezüchtete Leid
Während Qualzuchten bei Hunden, Katzen, Kanarienvögeln und Fischen bereits eingehend erforscht wurden, sind zu den sogenannten Morphenzucht bei Reptilien und Amphibien bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu finden. Ein Beispiel für in Fachkreisen bekannte Qualzuchten sind schuppenlose Schlangen und Echsen.
Häufig sind die Thermoregulation, der Wasserhaushalt, die Kommunikation, die Fortbewegung und der Schutz vor UV-Strahlung bei solchen Tieren empfindlich gestört. Wissenschaftler*innen rechnen damit, dass immer neue Krankheitsbilder und Störungen auftreten werden, da sich die Morphenzucht rasant weiterentwickelt.
Die Zucht von Reptilien und Amphibien ist äußerst lukrativ. Seltene Farbvarianten können Preise bis in den fünfstelligen Bereich erzielen. Diese „Designertiere“ bedienen nicht nur die Nachfrage nach etwas Besonderem, sondern weisen häufig auch Merkmale von Qualzuchten auf, Missbildungen und Defekte werden dabei billigend in Kauf genommen. Gerade von häufig gehaltenen und gezüchteten Reptilien- und Amphibienarten wie Königspythons, Kornnattern, Leopardgecko und Bartagamen werden eine Vielzahl von verschiedenen Farbmorphen gezüchtet. Allein bei Königspythons gibt es aktuell mehrere tausend verschiedene Morphen, bei Kornnattern 684 und bei Leopardgeckos und Bartagamen sind aktuell 111 bzw. 40 bekannt (Stand Januar 2022). Viele dieser Morphen leiden an schweren neurologischen und motorischen Störungen wie dem „Enigma-Syndrom“ beim Leopardgecko oder dem „Wobble-Syndrom“ beim Königspython.
Hybridkatzen: Wildkatzen im Wohnzimmer
Auch bei Kreuzungen von Wild- und Hauskatzen wie Savannah-Katzen oder „Caracats“ handelt es sich um Qualzuchten. Die Idee: Das Aussehen einer Wildkatze, aber verschmust wie eine Hauskatze. Doch die Realität sieht anders aus, denn die Tiere verhalten sich in der Regel wie ihre wilden Artgenossen.
Die Zucht der Tiere ist höchst problematisch. Der katzentypische Nackenbiss bei der Paarung und die größeren Jungtiere sind eine Gefahr für das Muttertier während der Paarung und Trächtigkeit. Häufig kommt es zu Früh-, Fehl- oder Totgeburten.
Das tut Pro Wildlife
Pro Wildlife klärt Amtstierärzt*innen und Politiker*innen über Qualzuchten bei Reptilien und Amphibien auf. Darüber hinaus setzen wir uns für ein umfassendes Wildtierimportverbot, ein Handelsverbot von Wildtieren über Online-Portale und gewerbliche Tierbörsen und eine Positivliste für Heimtiere ein. Wir dokumentieren Ausmaß und Folgen des Handels mit exotischen Heimtieren, stehen im direkten Austausch mit Politiker*innen und Vertreter*innen von Halterverbänden, betreiben Aufklärungsarbeit und verhandeln bei internationalen Konferenzen mit, um Handelsverbote bzw. -beschränkungen für bedrohte Tierarten zu erreichen.