Reptilienschmuggel: Handel ohne Grenzen

In der Heimat geschützt, in der EU vogelfrei

Reptilienschmuggel: Handel ohne Grenzen

Der internationale Handel mit gefährdeten Arten wird durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommen geregelt (englisch CITES). Doch bei weitem nicht alle seltenen Tiere sind durch dieses Abkommen geschützt. Viele Arten sind stark bedroht und dennoch nur in ihrem Ursprungsland geschützt. Manche dieser Tiere sind so selten oder erst neu entdeckt, dass man kaum etwas über sie weiß – also kann es für die Art noch gar keine internationale Handelsregulierung geben. Diese Gesetzeslücke nutzen kriminelle Händler, die solche Tiere, besonders häufig Reptilien und Amphibien, in Sri Lanka, Australien oder Mexiko einfangen und nach Europa schmuggeln. Denn: Reptilienschmuggel ist ein einträgliches Geschäft.

Gestohlen für den Heimtiermarkt

So wurden im Sommer 2014 seltene Taubwarane (Lanthanotus borneensis) auf Borneo eingefangen, die dort streng geschützt sind. Wenige Wochen danach tauchten die ersten Online-Inserate auf deutschen Websiten auf, kurze Zeit später wurden sie dann erstmals auf der Reptilienbörse Terraristika in Hamm offen verkauft – für 8.500 Euro/Paar. Auf europäischen Online-Plattformen werden regelmäßig auch seltene Alligator-Baumschleichen (z.B. Abronia deppii) aus Mexiko und Hornagamen (Ceratophora stoddartii) aus Sri Lanka angeboten, die nie legal für den Tierhandel exportiert wurden. Doch sobald sie außer Landes geschmuggelt sind, dürfen sie dann hier in der EU frei verkauft werden: Reptilienschmuggel ist maximaler Profit bei minimalem Risiko… Im Falle der Baumschleichen und des Lanthanotus gab es inzwischen ein Happy-End: Auf unsere Initiative hin sind alle 29 Arten seit Ende 2016 durch CITES geschützt, dutzende weitere Arten folgten auf der CITES-Konferenz 2019 (z.B. Hornagamen aus Sri Lanka (Ceratophora spp.), die Spinnenschwanzviper (Pseudocerastes urarachnoides) aus dem Iran sowie alle Schwarzleguane (Ctenosaurus spp.) aus Lateinamerika) – doch für viele andere bedrohte Arten gilt dies (noch) nicht.

Glasfrosch
Glasfrosch

2019 bot ein Händler aus den Niederlanden Glasfrösche aus Costa Rica an, angeblich aus „Farmzuchten“ importiert. Das Inserat sollte die Legalität der Tiere suggerieren, denn für Wildfänge hat Costa Rica ein Exportverbot. Dumm nur, dass wir bei den Behörden in Costa Rica nachfragten, diese uns bestätigten, dass es keine Zuchtfarmen für diese Frösche gäbe und dass sie keine Exporte genehmigt hätten. Eines von vielen Beispielen, wie dreist manche Tierhändler vorgehen: Erst stehlen und außer Landes schmuggeln, dann die Herkunft verschleiern und die Käufer bewusst täuschen…

Kaum entdeckt, schon im Ausverkauf

2010 wurde auf der kleinen Insel Hon Khoai vor Vietnam, einem Militär-Sperrbezirk, eine farbenprächtige neue Art entdeckt, der psychedelische Gecko (Cnemaspis psychedelica). Die Art ist auf ein Gebiet von nur acht Quadratkilometer begrenzt und damit sehr anfällig für eine Ausrottung. 2013 tauchte der bunte Gecko erstmals im europäischen Heimtierhandel auf, mit Preisen von 2.500-3.000 Euro/Paar. Unter anderem aufgrund unserer Recherchen hat Vietnam für diese Art im Oktober 2016 ein weltweites Handelsverbot erwirkt.

Psychedelischer Gecko (Cnemaspis psychedelica) © Lee Grismer
Psychedelischer Gecko (Cnemaspis psychedelica) © Lee Grismer

Doch die Publikationen von Wissenschaftlern zum Fundort neuer Arten rufen weiterhin Tierfänger auf den Plan: Ob Geckos, Vipern oder Schildkröten: Feldforscher mussten schmerzhaft erfahren, dass ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen regelrecht als Schatzkarte dienen, nach denen Tierhändler systematisch die neu-entdeckten Arten in der Natur absammeln lassen. Immer mehr Wissenschaftler halten deshalb die Fundstellen geheim. Denn eine Art mag noch so sehr bedroht sein: Solange sie nicht international durch CITES geschützt ist – und dies kann viele Jahre dauern – kann sie weitgehend ungehindert geplündert werden.

Was tut Pro Wildlife gegen den Schmuggel von Reptilien & Amphibien?

Pro Wildlife möchte die Plünderung bedrohter Arten für den Heimtierhandel stoppen und setzt hierzu auf zwei Ebenen an: Die Europäische Union als einer der größten Absatzmärkte für exotische Haustiere ist aufgefordert, den illegalen Fang und Export von Tieren in deren Herkunftsland auch innerhalb der EU strafbar zu machen, sprich: Was im Heimatland illegal eingefangen wurde, soll auch in der EU nicht länger ungehindert verkauft werden dürfen! Die USA hat bereits ein solches Gesetz, den US Lacey Act, der just hier ansetzt. Um rechtliche Bedenken der EU-Kommission gegen einen „EU Lacey Act“ auszuräumen, hat Pro Wildlife ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, das bestätigt, dass ein EU Lacey Act nicht nur juristisch machbar, sondern auch sinnvoll ist. Außerdem ließen wir den Entwurf erstellen, wie ein entsprechendes Gesetz aussehen könnte.

Die zweite Ebene, auf der Pro Wildlife intensiv arbeitet, ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen selbst: Um dort Handelsbeschränkungen oder gar -verbote für bedrohte Arten zu erwirken, sind Recherche und Dokumentation des Handels sowie ein guter Dialog mit Herkunftsländern die Grundvoraussetzung. Bereits für mehr als 100 Arten konnte Pro Wildlife seit seiner Gründung eine CITES-Listung erreichen, allein auf den CITES-Konferenzen 2019 und 2022 wurden aufgrund unserer Vorarbeit für mehr als 200 bedrohte Reptilien- und Amphibienarten Handelsbeschränkungen oder gar -Verbote beschlossen. Und nach der Konferenz ist vor der Konferenz: Seit der CITES CoP19 im November 2022 laufen bereits die Recherchen und Vorarbeiten für die nächste große CITES-Konferenz 2025, wo wir ähnlich ehrgeizige Ziele verfolgen.

Voraussetzung all dieser politischen Arbeit ist das regelmäßige Recherchieren und Dokumentieren des Tierhandels und den Folgen für die Artenvielfalt. Unsere Mini-Serie „Stolen Wildlife“, die immer wieder neue Fallbeispiele bedrohter und national geschützter Arten aus Ländern aller Erdteile aufzeigt, ist dabei eine wichtige Grundlage.

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Video vom Webinar „Stolen Wildlife“

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