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Wussten Sie, dass gefährliche Tiere wie Löwen aufgrund fehlender bundesweiter Regeln als Haustier gehalten werden können? Oder exotische Nagetiere wie Bunthörnchen, die Zoonosen übertragen können? Wie sieht es mit Reptilien aus, die jedes Jahr im sechsstelligen Bereich nach Deutschland importiert werden und immer wieder als invasive Art in unserer Natur landen? Kennen Laien tatsächlich die Bedürfnisse von exotischen Tieren, wenn es um Sozialkontakte, Bewegungsdrang oder Rückzugsmöglichkeiten geht? Um Tierwohl, Artenschutz, Naturschutz und auch unsere eigene Sicherheit zu stärken, spricht sich Pro Wildlife für die Einführung einer bundesweiten Positivliste für Heimtiere aus.
Ist eine Positivliste rechtlich möglich?
Eine Positivliste ist nicht nur rechtlich möglich, sondern dringend geboten – und zwar aufgrund des Vorsorgeprinzips sowie des Staatziels Tierschutz, dass seit 2002 im Grundgesetz verankert ist.
Dr. Ziehm, C. (2022). Rechtliche Zulässigkeit und Gebotenheit einer nationalen Positivliste für die legale Haltung von „Heimtieren“
Eine Positivliste für Heimtiere ist sowohl mit dem deutschen Grundgesetz als auch mit dem Europa- und dem Völkerrecht vereinbar.
Rechtsgutachten der Kanzlei Morgan, Lewis & Bockius LLP (2024) zur Positivliste für Heimtiere und zum Wildtierverbot in Zirkussen
Status quo in Deutschland
Die Privathaltung von Wildtieren als Heimtiere wird lediglich punktuell beschränkt, unter anderem durch
- die EU-Artenschutzverordnung, die nur geschützte Arten umfasst,
- die EU-Verordnung zu gebietsfremden und invasiven Arten sowie durch
- die Gefahr- oder Gifttierverordnungen, die von einzelnen Bundesländern in Deutschland eingeführt wurden.
Diese Regulierungen basieren alle auf dem Negativlisten-Prinzip, das heißt die Haltung als Heimtier ist grundsätzlich erlaubt, außer sie wird explizit verboten. Präventive tier- und artenschutzrechtliche Vorschriften fehlen dagegen.
Warum brauchen wir neue Regeln in Deutschland?
Zwei von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studien ergaben, dass der Handel mit und die Privathaltung von wild gefangenen sowie gezüchteten Wildtieren mit erheblichen Tier- und Artenschutzproblemen verbunden sind und dringender Handlungsbedarf besteht (Quellen: EXOPET; BMEL). Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer.
Wieso wird die Forderung nach einer Positivliste immer dringender?
In den letzten Jahren ist eine Zunahme des Handels mit Wildtieren zu beobachten. Import- und Handelszahlen zeigen, dass Deutschland einer der Hauptabsatzmärkte für Wildtiere weltweit und der größte Absatzmarkt innerhalb der EU ist. (Quelle: BMEL)
Gibt es erfolgreiche Vorbilder in Europa?
Innerhalb von Europa haben bereits zwölf Staaten Positivlisten für bestimmte Tiergruppen eingeführt bzw. beschlossen. Dort hat sich gezeigt, dass Positivlisten auch geeignet sind, den Online-Handel mit Wildtierarten zu kontrollieren. (Quelle: Animals)
Wie soll so eine Positivliste entstehen?
- durch unabhängige Sachverständige
- anhand von wissenschaftlichen, objektiven und nicht-diskriminierenden Kriterien, die die Bereiche Tierschutz, Artenschutz, Naturschutz und Öffentliche Gesundheit & Sicherheit umfassen
- in einem transparenten Verfahren
Schritt 1:
Für eine rechtlichen Grundlagen braucht es zunächst ein generelles Wildtier-Haltungsverbot für Privatpersonen.
Schritt 2:
Danach muss eine Liste mit Wildtierarten entstehen, für welche wissenschaftlich nachgewiesen wurde,
a) dass eine artgerechte Haltung durch Privatpersonen grundsätzlich möglich ist,
b) die Haltung keine besonderen Fachkenntnisse oder Fähigkeiten erfordert und
c) Erwägungen des Arten- und Biodiversitätsschutzes nicht entgegenstehen.
Um eine Positivliste im Tierschutzgesetz zu verankern, ist § 2 des Tierschutzgesetzes um einen neuen Absatz 2 zu ergänzen, der die grundsätzliche Verbotsregelung mit Ausnahmevorbehalt als Grundlage für die Positivliste für Heimtieren enthält:
§ 2 Abs. 2: Privatpersonen ist ausschließlich die Haltung von Haustieren (wie in Absatz 2 a. definiert oder in der Haustierliste auf Grundlage von § 2 Abs. 2 a. aufgeführt) sowie derjenigen Wildtierarten, die in einer Liste auf Grundlage von § 13 Abs. 4 TierSchG („Positivliste für Heimtiere“) aufgeführt sind, zu privaten Zwecken gestattet. Im Übrigen ist Privatpersonen die Haltung von Wildtieren (wie in Abs. 2 b. definiert) verboten.
- „Als ‚Haustiere‘ werden Tierarten bezeichnet, wenn sie bestimmte biologische und verhaltensbedingte Eigenschaften aufweisen, aufgrund derer sie für das Zusammenleben mit Menschen in häuslicher Gemeinschaft und/oder in enger räumlicher Nähe geeignet sind, wobei die Eignung dieser Tierarten für ein enges Zusammenleben mit dem Menschen zumeist auf eine jahrhundertelange selektive Züchtung und Domestizierung zurückgeht. Hierunter fallen insbesondere domestizierte Tiere der Pferde-, Rinder-, Schweine-, Schaf- und Ziegengattung, ausgenommen der exotischen Arten (Arten, die weder heimisch noch domestiziert sind); domestizierte Yaks und Wasserbüffel; Lamas und Alpakas; Hauskaninchen, Meerschweinchen, Farbratten, Farbmäuse, Haushunde und Hauskatzen; Haustauben, sowie Hausgeflügel wie Haushühner, Puten, Perlhühner, Hausgänse und Hausenten und domestizierte Fische. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, die Tierarten, die die Kriterien als Haustier erfüllen, im Einzelnen in einer Liste („Haustierliste“) aufzuführen.“
- „‚Wildtiere‘ sind sämtliche Tierarten, deren biologische Bedürfnisse und Verhaltensweisen an die in freier Wildbahn vorherrschenden Lebensbedingungen angepasst sind. Für die Einordnung als Wildtier kommt es nur darauf an, dass die Art, der das Tier angehört, in freier Wildbahn vorkommt. Ob und in welcher Anzahl Exemplare in Gefangenschaft oder zur wirtschaftlichen Verwertung gehalten oder gezüchtet werden ist bedeutungslos. Nicht erforderlich ist, dass das Tier selbst der Wildnis entnommen wurde. Das Tier, seine Art, oder Unterart kann also auch vom Menschen gezüchtet oder aufgezogen worden sein, verliert dadurch aber nicht seine Bestimmung als Wildtier. Haustiere sind keine Wildtiere. Bei Zweifelsfällen, einschließlich Unterarten, Mutanten, Hybriden, oder Neuzüchtungen, die von Wildtieren abstammen, handelt es sich um ein Wildtier. Hierunter fallen insbesondere Wirbeltiere, außer den Haustieren, sowie alle Gliederfüßer (Arthropoda) und Weichtiere (Mollusca), sowie Hybride aus Wild- und Haustieren.“
Zusätzlich sollte § 13 des Tierschutzgesetzes um einen zusätzlichen Absatz ergänzt werden, der die Ermächtigungsgrundlage für eine Positivliste enthält
§ 13 Abs. 4: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ferner ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in einer Rechtsverordnung Kriterien zu benennen, nach denen Tierarten bestimmt werden, deren Haltung als Heimtiere im Sinne des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren vom 13. November 1987 allein zulässig ist. Die Bundesministerien werden ferner ermächtigt, die Tierarten, die diese Kriterien erfüllen, im Einzelnen in einer Liste („Positivliste“) als Anlage zu der Verordnung aufzuführen. Die Verordnung nach Satz 1 ist samt ihrer Anlage spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieser Ermächtigung zu erlassen. Sie ist an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren und muss ein gerichtlich überprüfbares Verfahren für die Aufnahme neuer Tierarten in die Liste bzw. die Streichung von Tierarten von der Liste sowie Bestandsregelungen für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung in Heimhaltung befindliche Tiere und Übergangsfristen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen vorsehen. Die Verordnung enthält ferner Vorgaben für den Nachweis einer gewerblichen Haltung.
Weitere Infos dazu in den Gutachten von Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm und dem Gutachten der Kanzlei Morgan, Lewis & Bockius.
Gilt die Positivliste sofort und für alle?
- Tiere, die zum Zeitpunkt der Einführung einer Positivliste bereits als Heimtiere gehalten werden, sind nicht betroffen, sondern unterliegen einem Bestandsschutz.
- Zoos, Tierparks und ähnliche Einrichtungen sind von einer Positivliste nicht betroffen, da diese ausschließlich den Handel für und die Haltung durch Privatpersonen reguliert.
- Es gibt individuelle Ausnahmen für anerkannte Expert*innen.
FAZIT
Mit einem unregulierten Handel und nicht artgerechten Haltung von Wildtieren als Heimtiere kommen massive Tier-, Arten- und Naturschutzprobleme sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken einher. Wir brauchen ein präventives Instrument, um diesen Problemen entgegenzuwirken. Die Positivliste für Haustiere ist ein geeignetes und effektives Mittel, um das Tierwohl in der Heimtierhaltung zu stärken.
Zum Download
- Rechtsgutachten Positivliste für Heimtiere und Wildtierverbot in Zirkussen (2024)
- Gutachten von Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm: Rechtliche Zulässigkeit und Gebotenheit einer nationalen Positivliste für die legale Haltung von „Heimtieren“ (PDF)
- Gemeinsames Forderungspapier (November 2024): 12 Organisationen fordern, bei der Novellierung des Tierschutzgesetzes eine Positivliste für den Handel mit und die Privathaltung von Heimtieren im Gesetzestext zu verankern.