Inhaltsverzeichnis:
Die Internationale Walfangkommission (IWC), eines der ältesten Umweltabkommen der Welt, feiert ihr Jubiläum. Einst als Walfängerclub ins Leben gerufen, schuf sie Jahrzehnte später ein kommerzielles Walfangverbot und rettete seither mehr als 1,3 Millionen Walen das Leben — auch wenn die Bestände bis heute längst nicht ihre ursprüngliche Größe erreicht haben. In den nächsten Jahren entscheidet sich, ob die IWC überlebt und den Wandel zu einer konsequenten Walschutzorganisation schafft. Unsere Bilanz zu 75 Jahre Walfangkommission:
Die Anfänge der IWC
Von 1900 bis 1940 töteten Walfänger mehr als 860.000 Wale. Am 2. Dezember 1946 wurde die „Internationale Konvention zur Regulierung des Walfangs“ (englisch ICWR) gegründet, die durch die Internationale Walfangkommission (IWC) umgesetzt wird. Zunächst war dies ein Club weniger Walfangländer, die das Geschäft mit Walprodukten möglichst lange am Leben halten wollten. Die Waljagd stieg zunächst sogar weiter an und erreichte in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt: Mehr als 700.000 Wale wurden während dieser Dekade gejagt. Die IWC setzte zwar Quoten fest, doch Länder wie die Sowjetunion fälschten ihre Fangstatistiken und unterschlugen abertausende Wale.
Die 1970er & 1980er Jahre: Handelsverbot und kommerzielles Fangverbot
Dass die Fangzahlen in den 1970er Jahren auf etwa 364.000 zurückgingen, war v.a. der Tatsache geschuldet, dass die Jäger immer weniger Wale finden konnten. Mitte der 1970er Jahre wurde der Walfang durch Medienberichte zum öffentlichen Thema und löste weltweite Proteste aus. 1975 gehörten einige Großwale zu den ersten Arten, für die das frisch gegründete CITES-Artenschutzabkommen ein internationales Handelsverbot beschloss. Dies reduzierte die Waljagd gegenüber den 1960er Jahren beträchtlich. 1979 schließlich einigten sich die IWC-Staaten, den Einsatz von Fabrikschiffen zu beenden (ausgenommen Zwergwale).
Erst 1982 beschloss die Internationale Walfangkommission ein Moratorium für die kommerzielle Jagd, das 1986 endlich in Kraft trat und zunächst nur vorläufig gelten sollte, doch seither als kommerzielles Walfangverbot besteht. Bis auf drei Länder hielten sich alle daran: Norwegen und Island legten formalen Widerspruch ein und sind nicht an das Fangverbot gebunden; Japan umging das kommerzielle Verbot, in dem es jahrelang „Wissenschaftswalfang“ betrieb – und das ausgerechnet v.a. im Antarktisschutzgebiet. Das Moratorium ist dennoch einer der größten Erfolge, der jemals im internationalen Artenschutz erzielt wurde – seither ging die Zahl getöteter Wale im Vergleich zu den 1970er Jahren um mehr als 96 Prozent zurück. Kein Wunder, dass es seither unter Dauerbeschuss seitens der verbliebenen Walfangländer ist.
Japans schamlose Scheckbuch-Diplomatie
Wie groß der Einfluss Japans in der IWC war (und trotz seines Austritts 2019 wohl immer noch ist), zeigte sich jahrelang allein schon an der ungewöhnlichen Sitzordnung: Saßen alle anderen Delegationen strikt nach Alphabet sortiert, war Japan viele Jahre umrahmt von seinen Verbündeten wie Antigua & Barbuda, St. Kitts & Nevis oder Grenada. In einem Fall saß ich hinter einem karibischen Delegierten und sah mit eigenen Augen, wie er bei einer Abstimmung erst per Laptop sein Bankkonto online checkte, bevor er seine Stimme im Sinne Japans abgab. Beileibe kein Einzelfall:
Lange beglichen einige Japan-unterstützende Staaten ihre IWC-Mitgliedsbeiträge nicht von ihren Regierungskonten, sondern erst mit Bargeld auf der Konferenz. Diesem undurchsichtigen Treiben, wer hinter den Zahlungen steckt, wurde erst 2011 mit einer entsprechenden Resolution gegen Korruption ein Ende gesetzt. Zuvor hatte die englische Tageszeitung Sunday Times nachgewiesen, dass Spesen des Delegierten von Antigua & Barbuda in Höhe von 6.000 USD mit einer japanischen Kreditkarte gezahlt wurden.
Die Zeit nach dem Moratorium: Viermal drohte das Walfangverbot bereits zu kippen
Um die fortwährende Blockadehaltung des Walfanglagers gegen Walschutzgebiete und andere Schutzmaßnahmen der IWC aufzulösen, gab es gleich vier brandgefährliche „Kompromissvorschläge“, zwei davon gar aus dem Lager der Walschutzländer:
- 1998 schlug Irland vor, Küstenwalfang zu genehmigen und dafür Japans Fang in der Antarktis zu beenden – dies hätte jedoch die Jagd von Island, Norwegen und Japan innerhalb der 200-Seemeilenzone legitimiert.
- 2010 propagierten Deutschland, Neuseeland und andere einen ähnlichen Deal, der ebenfalls für „Küstenwalfang“ grünes Licht gegeben hätte, um im Gegenzug die Antarktisjagd Japans zu stoppen – und damit das Walfangmoratorium faktisch aufgehoben hätte.
- 2018 beantragte Japan eine Reform der IWC – inklusive eines Endes des Walfangverbotes.
- 2022 wollten Antigua & Barbuda und einige andere Japan-treue Länder Walfang als Beitrag gegen den Hunger in der Welt etablieren. Antigua & Barbuda beantragte zudem eine Arbeitsgruppe, die die Aufhebung des Moratoriums vorbereiten sollte.
Es brauchte alle Kraft von Pro Wildlife und unseren Verbündeten, um das Walfangmoratorium aufrecht zu erhalten.
Ein Meilenstein war auch das Urteil des Internationalen Gerichtshofes, der 2014 nach einer Klage von Australien und Neuseeland befand, dass Japans „Wissenschaftswalfang“ in der Antarktis gegen die IWC-Regeln verstieß. Japan reduzierte die Antarktisjagd daraufhin und kämpfte weiterhin gegen das Moratorium. Als dies 2018 erneut scheiterte, verließ Japan 2019 wutschnaubend die IWC – beendete jedoch die Waljagd in der Antarktis und hat seither die Waljagd annähernd halbiert.
Pro Wildlife auf der IWC
Pro Wildlife hat seit 1999 offiziellen Beobachterstatus bei der IWC. Das heißt, wir sitzen mit am Verhandlungstisch, auch wenn wir kein Stimmrecht haben. Die persönlichen Kontakte auf den Konferenzen sind jedoch die Grundlage für einen guten Austausch mit Delegierten, den wir auch zwischen den Meetings zu nutzen wissen und die wir mit wichtigen Informationen versorgen. Zu den größten Erfolgen, die wir mit unseren Verbündeten über die Jahre erreichen konnten, gehören:
- Verteidigen und Aufrechterhalten des kommerziellen Walfangverbotes
- Enthüllen von Norwegens Aufstieg zur Walfangnation Nr. 1
- IWC-Resolution zu Gesundheitsrisiken durch den Verzehr von Wal- und Delfinfleisch
- Diverse IWC-Resolutionen gegen Japans Treibjagden auf Delfine und Kleinwale
Ungewisse Zukunft für die Internationale Walfangkommission
Seit Austritt Japans 2019 als mit Abstand größtem Beitragszahler hat die IWC ernsthafte Geldsorgen. Verschärft wird die Situation durch die Corona-Pandemie, in der gerade kleinere Mitgliedsstaaten ihre Beitragszahlungen schuldig blieben. Auf einem digitalen Sondertreffen der IWC im Oktober 2021 wurde der Ernst der Lage deutlich. Ob Japan den vielen Kleinstaaten in der Karibik, Afrika und Ozeanien weiterhin Geld zuschustert, damit sie die Interessen Japans auf der IWC weiterhin vertreten, ist fraglich. Sollten sich die Finanzen der IWC stabilisieren, gibt es hingegen gute Chancen, dass sie endgültig vom Walfängerclub zur führenden Walschutzorganisation umgebaut wird, wie es in der „Florianopolis-Deklaration“ von 2019 beschlossen wurde. Dafür setzen wir uns weiterhin ein.
Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 30. November 2021, aktualisiert am 8. Dezember 2022