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Die meisten Taucher werden mir zustimmen, wenn ich sage: Die erste Begegnung mit einem Hai unter Wasser vergisst man nie. Meistens sind es nur wenige Sekunden, die den Tauchern bleiben, um das Tier zu sichten und zu beobachten, dann ist es auch schon wieder weg. Haie sind erstaunlich scheue Tiere und so verwundert es nicht, dass Tauchbasen und Safari-Anbieter etwas nachhelfen wollen, um Begegnungen mit Haien zu garantieren und die Taucher glücklich zu machen. Die Haifütterung erfreut sich auch deshalb großer Beliebtheit, weil viele Taucher sich eben nicht mit der zufälligen Begegnung in einigem Abstand zufrieden geben. Ist es das Risiko wert?
Dringend benötigter Imagewechsel
Haie leiden unter einem schlechten Image, das ist unbestritten. Viele Menschen sehen in ihnen die Fress- und Killermaschinen aus Hollywood-Produktionen wie „Der weiße Hai“. Das hat natürlich Einfluss auf den Schutz der Tiere, denn ist ein Tier nicht besonders beliebt, setzen sich auch weniger Menschen für dessen Schutz ein. Deshalb ist es zunächst begrüßenswert, wenn es Bestrebungen gibt, den Menschen die Tiere näher zu bringen. Je mehr Menschen sich für Haie begeistern, desto größer und stärker ist ihre Lobby und desto besser kann ihr Schutz gelingen. Das Problem an den Haifütterungen ist, dass sie dem genau entgegenwirken können – und zwar dann, wenn es zu Zwischenfällen mit Haien kommt.
Risiken der Haifütterung
Haifütterungen finden auf ganz unterschiedliche Arten und Weise statt. Es werden in verschiedenen Teilen der Erde ganz verschiedene Arten angelockt. Zum Teil werden für das Haitauchen Fischstücke ins Wasser gekippt, zum Teil werden die Haie sogar per Hand gefüttert. Vor Südafrika schützen Käfige im Wasser die Haitaucher vor potentiellen Attacken durch angefütterte weiße Haie. Im Südpazifik werden Bullenhaien große Stücke Fisch präsentiert, auf den Bahamas sind es zig unterschiedliche Arten, die auf Geruchsköder und Fischstücke reagieren. Es fällt nicht schwer, sich die Risiken für die Taucher bewusst zu machen. Das Anfüttern hat mehrere Konsequenzen:
Die Haie verändern ihr Sozialverhalten
Haie sind entgegen der vorherrschenden Meinung intelligente Lebewesen mit Sozialstrukturen. Es gibt einzelgängerische Räuber und solche, die sich auch gerne in Gruppen zusammentun. Werden zu definierten Uhrzeiten an bestimmten Plätzen regelmäßig große Mengen Futter zur Verfügung gestellt, kommen auch viele Haie zusammen. Dabei mischen sich Einzelgänger unter die Gruppentiere, kleine und große Haie schwimmen miteinander. Das kann natürlich zu Aggressivität oder weiteren Verhaltensänderungen führen.
Die Haie verändern ihr Fressverhalten
Die Konditionierung von Haien mit Hilfe von Futter funktioniert erstaunlich gut: Zum Teil erscheinen die Räuber bereits, wenn sie ein sich näherndes Boot hören. Sie lassen buchstäblich alles stehen und liegen und konzentrieren sich auf die vermeintlich leichte Beute, die vom Boot fällt oder von Tauchern im Wasser ausgelegt wird. Im Riff und in den Ozeanen sind sie aber eine Art Gesundheitspolizei, die das Meer sauber halten und kranke und schwache Wasserbewohner fressen und größere Räuber in Schach halten. Fehlt die Polizei, kann das Auswirkungen auf die Nahrungspyramide im Meer haben.
Das Risiko potenziert sich
Große Mengen Futter im Wasser, unnatürlich viele Artgenossen, konditionierte Räuber und drum herum Haitaucher: Dass das zu Problemen führen kann, versteht sich fast von selbst. Die Tiere kommen Menschen viel näher, als sie es natürlicherweise tun würden. Taucher und Schwimmer können je nach Tiefe und Beschaffenheit der Ausrüstung fatal an Beutetiere erinnern.
Wildtiere sollten nicht angefüttert werden
Wer Wildtiere anfüttert, riskiert, dass sie die Scheu vor dem Menschen verlieren. Das kann, wie im Fall der Taucher, gewollt sein. Doch Haie und andere Wildtiere wissen natürlich nicht, wann sie sich Menschen nähern sollen und wann nicht. Kommt es zu Zwischenfällen, wird die Schuld auf die Tiere geschoben – egal, ob es sich um Haie, Eisbären oder Wölfe handelt. Dann hat die Haifütterung auch keinen positiven Einfluss mehr auf das Image der Tiere, denn sie tun genau das, was die Hollywood-Produktionen ihnen vorwerfen: Sie verletzen Menschen. Besser ist es, sich zu gedulden, Haie in ihrem natürlichen Verhalten zu beobachten oder natürliche Zusammenkünfte der Haie zu beobachten. Und was gibt es Schöneres, als unter Wasser überraschende Sichtungen zu erleben?
Autorin: Sandra Henoch
Veröffentlicht am: 16. Juli 2019