Es kann natürlich sein, dass es sich um eine unglückliche Verkettung ungünstiger Umstände handelt, was dem Circus Krone im Moment widerfährt. Es kann aber eben auch sein, dass das über Jahre hinweg sorgfältig aufgebaute Saubermann-Image bei genauerem Hinsehen wackelt.
Der Circus Krone stellt sich und seine Tierhaltung gerne als vorbildlich dar. Tierärzte haben (angeblich) nichts zu monieren, die Elefanten sehen gesund aus, die Tiger schmusen mit Dompteur Martin Lacey. Mit diesem Heile-Welt-Image gewinnt Krone auch Politiker aller Parteien als Fürsprecher. Doch im Sommer 2018 geriet der Münchner Traditionszirkus mit zwei gravierenden Vorfällen innerhalb weniger Wochen in die Schlagzeilen.
Ein Elefant wird von zwei anderen Elefanten in den Zuschauerraum geschubst. Nur mit sehr viel Glück erschlägt die Elefantin „Mala“ bei dem Sturz keine Zuschauer. Die beiden anderen Elefanten hören auch dann nicht auf, Mala zu malträtieren, als das Opfer bereits aus der Manege gestürzt wurde. Die Videos von einer Vorstellung in Osnabrück zeigen deutlich, dass es sich nicht um ein Unglück, sondern um einen gezielten Angriff der beiden Elefanten handelt. Das bestätigt eines der Grundargumente gegen die Haltung von Wildtieren im Zirkus: Wildtiere bleiben unberechenbar.
Was genau den Angriff ausgelöst hat, lässt sich von außen schwer sagen. Doch chronischer Bewegungsmangel, Zwang, Stress und Langeweile führen bei den intelligenten Dickhäutern zu Frust. Wenn sich dieser entlädt, kann das fatale Folgen haben. Ein ähnliches Verhalten kennen wir von den Elefanten, die in Asien als Touristenattraktionen missbraucht werden – hier hat es sogar schon Todesopfer gegeben, auch Touristen kamen zu Schaden. Gleiches gilt für Zoos: Der Beruf des Elefantenpflegers gilt nicht ohne Grund als einer der gefährlichsten überhaupt. Regelmäßig greifen Elefanten in Zoos Tierpfleger an. 40 Menschen wurden nach Recherchen der Organisation Elefantenschutz Europa in 20 Jahren von Elefanten alleine in Zoos getötet, weitere 50 zum Teil schwer verletzt.
Der Vorfall und ein Zwischenfall im Juni 2018 verdeutlichen, dass Zirkusse mit Wildtieren eine Gefahr nicht nur für die Besucher darstellen, sondern auch für den Rest der Bevölkerung. Anfang Juni war der Zirkuselefant „Kenia“ aus dem Circus Krone geflohen und durch Neuwied gelaufen. Scheinbar ruhig sieht sich die Elefantendame in der Gegend um, es ist sogar von einem „kleinen Spaziergang“ die Rede – ein Irrglaube. 2015 brach ein Elefant aus dem Circus Luna aus und tötete in Buchen im Odenwald einen Mann. Vor diesem Hintergrund und mit dem Vorfall in der Manege des Circus Krone im Hinterkopf wird die Gefahr, in der sich die Menschen in Neuwied potentiell befunden haben, nachträglich besonders klar. Auch, wenn Krone beteuert, dass ihre Tiere lammfromm sind: Sie sind es nicht. Sie bleiben Wildtiere, sind unberechenbar und zu allem Überfluss durch den Zirkusalltag gefrustet.
Auch der Bruder des Circus Krone Raubtier-Dompteurs Martin Lacey musste das vor kurzem erfahren. Alexander Lacey ist ebenfalls begeisterter Dompteur und unter anderem verantwortlich für die Verschiffung von Raubkatzen aus den USA nach Deutschland. Im Übrigen lief dieser mehr als zweifelhafte Deal über die Adresse des Circus Krone in München. Wie sein Bruder auch produziert Alexander gerne Bilder von sich und den Tieren in inniger Umarmung, wie beste Freunde, die eben zufällig einer anderen Art angehören. Er wurde Ende März von einer Löwin angegriffen und durch einen Prankenhieb und Bisse schwer verletzt.
Neben dem fortlaufenden Stress in der Manege sind die Haltungsbedingungen für Tierschützer ein ständiger Stein des Anstoßes. Dazu zählt auch die Einzelhaltung von Tieren. Darunter litt unter anderem das Breitmaulnashorn „Tsavo“, das sein Leben im Circus Krone alleine fristete. Mag sein, dass Nashörner in freier Natur nicht ständig in großen Herden auftreten wie Elefanten. Sie sind aber sehr wohl soziale Tiere, die sich ihren Umgang aussuchen, sich paaren und zum Teil sogar in größeren mehr oder weniger lockeren Gruppen leben. Sie „unterhalten“ sich über Duftmarken, haben Reviere und bilden Weidegruppen. „Tsavo“ rastete in der Vergangenheit ebenfalls bereits aus. 2010 schrammte der Circus Krone knapp an einer Katastrophe vorbei, als „Tsavo“ mit seinen mehr als drei Tonnen Gewicht während einer Vorstellung nur Zentimeter an den Zuschauern vorbei in den Zuschauereingang rannte.
Um in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Politik das Image vom Traditionsbetrieb mit hohen Tierschutzauflagen und Entertainment für die ganze Familie aufrecht zu erhalten, fährt der Circus Krone eine aggressive Charme-Offensive. Martin Lacey ließ es sich nicht nehmen, ein wenige Wochen junges Löwenbaby in den bayerischen Landtag zu schleppen, um für die Haltung von Wildtieren im Zirkus zu werben. In diesem Alter sind Raubkatzen noch völlig wehrlos und auf die Mutter angewiesen. Ein Löwenbaby auf eine Image-Tour zu schleppen, ist aus Tierschutzsicht absolut unvertretbar.
Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, unakzeptable Bedingungen bei der Haltung von Tieren und eine unnatürliche Umgebung sind nur einige der Argumente gegen Wildtiere im Zirkus. Elefanten und Löwen in der Manege sind als Konzept völlig aus der Zeit gefallen. Da kann auch das Greenwashing von Martin Lacey nichts daran ändern, der mit seinem Verein Lacey Fund auch noch Spenden für Tiere einsammelt und sich selbst als Tierschützer darstellt. Denn Fakt ist: Wildtiere im Zirkus zu halten, ist Tierquälerei; es ist gefährlich und es ist unnötig. Zirkus: Ja bitte, aber ohne wilde Tiere!
Autorin: Sandra Henoch
Veröffentlicht am: 6. Juli 2018