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Für Europas Gourmets sterben jährlich Abermillionen Frösche. Wie grausam Fröschen die Beine abgehackt wurden, machte in den 1980er Jahren Schlagzeilen. Das Thema verschwand zwar wieder aus den Medien – aber nicht die „Delikatesse“ von den Tellern, wie unsere Recherchen enthüllten. Um den ebenso grausamen wie ökologisch verheerenden Handel mit Froschschenkeln zu stoppen, initiierte Pro Wildlife ein neues Artenschutz-Projekt, das mittlerweile internationale Aufmerksamkeit erfährt. Ein Beitrag von Dr. Sandra Altherr.
Von der Speisekarte auf den Kampagnenplan
2010 stolperte ich in einem Pfälzer Restaurant erstmals über das Angebot „Froschschenkel in Knoblauch-Sauce“. War die vermeintliche Delikatesse tatsächlich noch eine beliebte Tradition? Seit den Medienberichten über die tierquälerischen Methoden hatte man nichts mehr zu dem Thema gehört. Die Frage ließ mich nicht los – deshalb begann ich zu recherchieren…
Ein Jahr später, 2011, veröffentlichte Pro Wildlife zusammen mit zwei Organisationen aus den USA den ersten Bericht über den internationalen Handel mit Fröschen („Canapés to Extinction“). Dieser belegte, dass ein totgeschwiegenes Thema nicht unbedingt tot ist: Wir zeigten auf, dass die EU zu der Zeit jährlich etwa 4.600 Tonnen Froschschenkel importierte, was, je nach Größe der Tiere, 100 bis 230 Millionen Individuen entspricht. 84 Prozent stammten allein aus Indonesien, andere kamen aus Vietnam, der Türkei und China. Hauptabnehmer der Froschschenkel war Frankreich. Wir gingen mit den Zahlen an die Presse und schickten den Report an die Artenschutzbehörden der EU. Bis auf wenige Medienberichte weckte das Thema damals aber kaum öffentliches Interesse.
Der richtige Zeitpunkt, die richtigen Partner
2021, zehn Jahre später und mit dem finanziellen Rückenwind der Stiftung Zukunft Jetzt!, recherchierten wir die Importe von Froschschenkeln erneut. Und diesmal arbeiteten wir von Anfang an eng mit der Organisation Robin des Bois zusammen, um einen Partner aus dem Hauptabsatzmarkt Frankreich mit an Bord zu haben.
2022 veröffentlichten wir gemeinsam den Report „Deadly Dish“ („Tödliche Mahlzeit“), der zeigte, dass die EU noch immer mehr als 4.000 Tonnen Froschschenkel jährlich importiert und die Bestände wilder Frösche in Indonesien, der Türkei und inzwischen auch Albanien durch diesen Raubbau zurückgehen. Zudem veröffentlichten wir 2023 unsere Ergebnisse in zwei wissenschaftlichen Fachmagazinen, schrieben mehr als 200 Restaurants in Deutschland an, spannten Starköche ein und klärten in der Vorweihnachtszeit über Social-Media-Posts gezielt in Frankreich auf – denn Froschschenkel sind dort traditionell Teil des Weihnachtsmenüs.
Diesmal verfehlte unsere Kampagne ihre Wirkung nicht: Seit der Veröffentlichung von „Deadly Dish“ gab es etwa 200 Presseartikel, die meisten in Frankreich, aber auch in Deutschland, in ganz Europa, bis nach Asien und Nordamerika. Die Froschschenkel schafften es sogar auf die Titelseite der französischen Tageszeitung Le Parisien!
Auf der politischen Agenda
Auch politisch ist seither Bewegung in die Sache gekommen: Wir präsentierten unsere Ergebnisse auf der CITES-Weltartenschutzkonferenz Ende 2022 und zeigten dort Delegierten aus der EU, der Türkei, Indonesien und anderen Ländern die Dringlichkeit für internationale Handelsbeschränkungen auf. Mehrere Abgeordnete des EU-Parlaments stellten offizielle Anfragen an die EU-Kommission, die daraufhin zusagte, konkrete Maßnahmen zu prüfen. Im Herbst 2023 stellten wir unsere Daten bei einem CITES-Workshop zum Amphibienschutz vor; dieser bestätigte Froschschenkelhandel als eine wesentliche Bedrohung für diverse Froscharten.
Im Januar 2024 appellierten wir mit mehr als 40 Organisationen an alle EU-Umweltministerien, sich für eine Unterschutzstellung der Frösche bei CITES einzusetzen. Und im März 2024 forderten mehr als 550 Fachleute aus Wissenschaft und Tiermedizin Frankreichs Präsidenten Emanuel Macron auf, dem Raubbau an Fröschen für eine französische Delikatesse endlich ein Ende zu setzen. Allein dieser Brief verhalf dem Thema zu einer ganzen Seite in der Washington Post und der TV-Sender CNN forderte beim französischen Präsidenten eine Stellungnahme an.
Die nächste CITES-Weltartenschutzkonferenz soll Ende 2025 stattfinden – und bereits jetzt arbeiten wir mit Hochdruck daran, Herkunfts- und Importländer für eine Schutzinitiative zu gewinnen, damit der Raubbau an Fröschen in Asien und Südeuropa endlich gestoppt wird!
Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 14. Juni 2024