Deutschland als Drehscheibe für Tierschmuggel

Wissenschaftler kritisieren Plünderung Sri Lankas für Heimtierhandel

Deutschland als Drehscheibe für Tierschmuggel

Autsch, wie peinlich! In der aktuellen Ausgabe des Artenschutz-Fachmagazins TRAFFIC Bulletin wurde ein Artikel veröffentlicht, der für die EU-Kommission und die deutsche Bundesregierung ein Schlag ins Gesicht ist: Die Autoren Jordi Janssen (Kanada) und Prof. Dr. Anslem de Silva (Sri Lanka) zeigen einen umfassenden Handel mit Reptilien aus Sri Lanka und bemängeln, dass die Europäische Union bislang bei ihrem Ziel versagt, den Tierschmuggel zu bekämpfen. Denn Sri Lanka hat seine heimische und einzigartige Artenvielfalt unter strengen Schutz gestellt: Wildtiere dürfen weder eingefangen noch exportiert werden – und dennoch sind sie hierzulande regelmäßig im Angebot. Gerade wegen ihrer Seltenheit sind sie bei zahlungskräftigen Raritäten-Sammlern in Europa sehr begehrt. Preise von bis zu 2.500 € pro Paar sind keine Seltenheit.

Hornagame (Ceratophora stoddartii) © Calynn CC BY-SA 4.0
Hornagame (Ceratophora stoddartii) © Calynn CC BY-SA 4.0

Deutschland als Drehscheibe des illegalen Reptilienhandels benannt

Janssen und de Silva finden in ihrer Studie deutliche Worte: „Deutschland steht im Zentrum des illegalen Handels mit Reptilien aus Sri Lanka… Die deutschen Behörden sollten sich der Rolle bewusst sein, die Deutschland im internationalen Handel mit Reptilien aus Sri Lanka spielt und dass dies gegen die nationale Gesetzgebung im Herkunftsland verstößt.“ Außerdem kritisieren die Autoren, wie sehr Anspruch und Praxis der EU beim Kampf gegen Wilderei und Tierschmuggel auseinanderklaffen: „Während die EU bestätigt, dass der EU-Markt nicht die Nachfrage nach Arten beschleunigen sollte, die illegal oder nicht-nachhaltig gefangen wurden, macht das Fehlen von Schutzbestimmungen für solche Arten die EU zu einem zentralen Akteur im illegalen Handel mit solchen Arten.“

Tierschmuggel: Leierkopfagame (Lyriocephalus scutatus) © Kalyanvarma CC BY-SA 3.0
Leierkopfagame (Lyriocephalus scutatus) © Kalyanvarma CC BY-SA 3.0

Warum steht gerade Deutschland in der Kritik?

Zum einen sind es vornehmlich deutsche Händler, die Sri Lankas lebende Raritäten im Internet auf einschlägigen Plattformen oder in geschlossenen Facebook-Gruppen anbietet. Zum anderen werden die Deals zwischen Anbieter und Käufer zwar online verabredet, aber die tatsächliche Übergabe der Tiere erfolgt dann meist in Hamm, einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen, wo sich die internationale Szene viermal jährlich auf der Reptilienbörse „Terraristika“ trifft. Ein Flohmarkt für Wildtiere: Etwa 600 offizielle Verkäufer stapeln tausende Tiere auf engen Tischreihen, zahllose Besucher schieben sich durch die Gänge und suchen nach Schnäppchen. Neben der preiswerten „Massenware“ gibt es eben auch viele Seltenheiten, darunter Schwarzleguane aus Guatemala, Zwergpuffottern aus der Wüste Namib oder Stachelschwanzskinke aus Australien.

Massenhandel auf einer deutschen Tierbörse
Massenhandel auf einer deutschen Tierbörse

Reptilien aus Sri Lanka? Das Problem ist weitaus größer

Bereits 2014 hatte Pro Wildlife seinen Bericht „Stolen Wildlife“ veröffentlicht. Der Bericht zeigte erstmals, wie sich skrupellose Tierschmuggler ein neues Geschäftsmodell aufgebaut haben: Den illegalen Fang und Export seltener und bedrohter Tiere, die bislang nur in ihrem Heimatland geschützt sind. Erst einmal erfolgreich außer Landes geschmuggelt, können solche Tiere hier in Europa straffrei und völlig offen verkauft werden; zu Rekordpreisen bei gleichzeitig geringem Risiko. Betroffen ist nicht nur Sri Lanka, sondern alle Länder, die ihre heimische Artenvielfalt national schützen wollen und in denen attraktive kleinwüchsige Arten vorkommen, die in ein Terrarium passen…

Die EU braucht strengere Artenschutzgesetze

Dabei wäre es so einfach, gegen diese Plünderung bedrohter und gestohlener Tiere vorzugehen. Die USA macht es vor: Sie hat bereits seit 1900 ein Gesetz, das schlichtweg besagt: Was im Herkunftsland illegal eingefangen bzw. exportiert wurde, darf auch in den USA nicht verkauft werden. So einfach ist das. Dieser „US Lacey Act“ wäre ohne weiteres auch für die EU zu empfehlen, doch bislang lehnt die EU-Kommission eine solche Verordnung ab. Aktuell jedoch steigt der Druck auf die EU, zum einen durch die neue Studie, die die EU und Deutschland an den Pranger stellt. Zum anderen liegen für die große CITES-Artenschutzkonferenz Schutzanträge für mehr als 200 Arten auf dem Tisch, die durch den Exotenhandel bedroht sind. Ob Glasfrösche aus Lateinamerika, Geckos aus der Karibik oder Vipern aus dem Iran: Sie alle haben gemein, dass sie im Heimatland geschützt sind und dass Deutschland und die EU am Ausverkauf dieser Arten erhebliche Mitverantwortung tragen.

Deutschland bräuchte dringend strengere Regeln, um den Wildwuchs auf Tierbörsen zu beenden. Die EU bräuchte den Mut, endlich einen EU Lacey Act anzupacken. Dann, und nur dann, kann Tierschmugglern auch hier in Europa das Handwerk gelegt werden…

Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 06. Mai 2019

Mehr zum Thema