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In den letzten Wochen häufen sich Meldungen und Androhungen von massenhaften Abschüssen von Elefanten und anderen Wildtieren, auch Keulung (englisch Culling) genannt. Im August 2024 kündigte zuerst Namibia an, 723 Wildtiere zu töten, um das Fleisch den von Dürre betroffenen Menschen zur Verfügung zu stellen. Kurz darauf gab Simbabwe bekannt, man wolle 200 Elefanten aus demselben Grund töten. Ende September behauptete Botswanas Präsident Masisi, sein Land müsse bis zu 20.000 Elefanten töten, um Menschen zu ernähren. Das ist eine mehr als fragwürdige Erklärung, nach den jüngsten Androhungen, wegen Unstimmigkeiten über mögliche Einfuhrbeschränkungen für Jagdtrophäen 20.000 Elefanten nach Deutschland zu senden.
Dürre und Bekämpfung des Hungers – oder politische Motive?
Tatsächlich leiden die Menschen im Südlichen Afrika unter einer der schlimmsten Dürren seit Jahrzehnten. Doch Naturschützer*innen und Expert*innen, allen voran in Afrika, bezweifeln, dass die Tötung von Wildtieren einen wirksamen Beitrag zu humanitärer Hilfe und Ernährungssicherheit leisten kann. Vielmehr halten sie die angekündigten Abschüsse für politisch motiviert und kritisieren, dass es vor allem darum geht, der Ausbeutung bedrohter und geschützter Tierarten – allen voran Elefanten – Vorschub zu leisten.
Die PR-Kampagne von Botswanas Präsident Masisi
Bezeichnend ist der jüngste Auftritt von Botswanas Präsident Masisi in den deutschen Medien: In einem Video-Clip erklärt er BILD-Online exklusiv, sein Land müsse 20.000 Elefanten töten, um die Menschen zu ernähren. Hiermit knüpft er direkt an seine PR-Kampagne im Frühjahr 2024 an, in der er drohte, 20.000 Elefanten nach Deutschland und weitere 10.000 nach Großbritannien zu schicken. Damals ging es darum, in Europa Stimmung gegen Einfuhrverbote für Jagdtrophäen zu machen. Das jüngste Statement soll offensichtlich Druck auf ein Treffen 33 afrikanischer Staaten ausüben, das African Elephant Dialogue Meeting, das vom 23.-26. September 2024 ausgerechnet in Botswana über den internationalen Handel mit Elefanten diskutierte.
Handel mit Elfenbein, lebenden Tieren und Trophäenjagd
Tatsächlich sind es Botswana, Namibia und Simbabwe, die seit Jahren fordern, die geltenden Handelsbeschränkungen für Elfenbein, Elefantenleder und lebende Tiere aufzuheben. Bislang konnten sie allerdings weder in Afrika noch international im Rahmen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) die erforderliche Zustimmung erzielen. Die öffentlichkeitswirksamen Ankündigungen, Elefanten und andere Wildtiere abzuschießen sollen offensichtlich den Druck auf die CITES Mitglieder erhöhen. Denn 2025 stehen zwei wichtige CITES-Tagungen an, in denen es auch um die Zukunft der Elefanten gehen wird.
Zur Rechtfertigung der Abschüsse werden eine ganze Reihe unterschiedlicher Argumente angeführt: Sie sollen Menschen mit Fleisch versorgen, die Landwirtschaft und die Wasservorräte schützen, Konflikte zwischen Menschen und Tieren reduzieren, vermeintliche Über-Populationen reduzieren und Geld in die Kassen spülen. Eine Vielzahl komplexer Herausforderungen, die sich wohl kaum auf einen Streich lösen lassen.
Namibias wechselnde Scheinargumente
Zweifel an der Behauptung, die Dürre sei der Grund für die Elefanten Abschüsse bestehen auch, weil Namibia bereits 2020 insgesamt 170 Elefanten in vielen der jetzt ausgewählten Regionen einfangen und auf Auktionen versteigern wollte. Die Ausfuhr von 22 dieser Tere an ausländische Zoos sorgte für erhebliche internationale Kritik. Als Gründe wurden damals Konflikte mit Menschen und die Generierung von Einnahmen, angeblich für die lokale Bevölkerung, genannt.
Jetzt sollen in Namibia mehr als 700 Wildtiere zum Großteil in Nationalparks getötet werden. Für alle der betroffenen Arten (100 Elefanten, 300 Zebras, 30 Flusspferde, 60 Büffel, 50 Impalas, 100 Eland-Antilopen, 100 Gnus), werden in Namibia auch Abschüsse für die kommerzielle Trophäenjagd angeboten. Durchführen sollen die Abschüsse dann auch passenderweise Berufsjäger*innen und sowie zahlende Trophäen-Jagdgäste. Die Jagdindustrie kann durch die Abschüsse ihre Einnahmen erhöhen und sich neue Gebiete und Tierbestände erschließen. Inwiefern die Bevölkerung profitiert, ist fraglich.
Keulung ist kein Beitrag zur Ernährungssicherung
- Die Keulung von Wildtieren kann keine Ernährungssicherung während einer längeren Dürre schaffen; nur sehr wenige Menschen erhalten für kurze Zeit eine begrenzte Menge Fleisch; zudem erreicht das Wildfleisch nicht die Gemeinden, die am stärksten von Hunger und Armut betroffen sind. Vielmehr wird befürchtet, dass in Namibia darauf abgezielt wird, wichtige Wahlgebiete im Vorfeld der Wahlen im November 2024 zu beeinflussen. Auch in Botswana stehen im Oktober Wahlen an.
- In einer Mitteilung des Centre for Natural Resource Governance in Simbabwe heißt es: „Obwohl wir die verheerenden Auswirkungen einer der schlimmsten Dürreperioden seit Jahrzehnten anerkennen, glauben wir nicht, dass das Fleisch von 200 Elefanten dieses Nahrungsmitteldefizit ausgleichen wird. Nach Angaben des Zimbabwe Livelihoods Assessment Committee (ZIMLAC) werden etwa 6 Millionen Menschen in ländlichen Gebieten und 1,7 Millionen in Städten – mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes – bis zur nächsten Ernte Nahrungsmittelhilfe benötigen. Eine solide, gut durchdachte und nachhaltige Strategie zur Ernährung der hungernden Bevölkerung ist erforderlich.“
- Angesichts großer, vorhandener Nutztierbestände (in Namibia z.B. gibt es 6 Millionen Nutztiere und 3 Millionen Menschen) ist nicht nachvollziehbar, weshalb Wildtiere bedrohter Arten in Schutzgebieten zur Ernährung der Menschen getötet werden sollen .
Der massenhafte Abschuss bedroht Arten- und Naturschutz
- Massen-Abschüsse tragen nichts zur Lösung von Konflikten bei, gefährden fragile Elefantenbestände, zerstören die Herdenstruktur und das Sozalverhalten von Elefanten, traumatisieren überlebende Tiere und können zu erhöhter Aggressivität gegenüber Menschen und damit vermehrten Konflikten führen.
- Der Großteil der 700 Tiere in Namibia soll in Nationalparks getötet werden.
- Namibia hat Elefanten in besonders kleinen, gefährdeten Wüsten-Populationen zum Abschuss freigegeben und gefährdet dadurch deren Fortbestand.
- Die Verteilung von Wildfleisch generiert eine Nachfrage, die langfristig nicht nachhaltig gedeckt werden kann und dadurch die Wilderei fördert.
- Der Abschuss von Elefanten führt dazu, dass sich staatliche Lagerbestände mit Stoßzähnen füllen; dies erhöht den Druck zum Verkauf von Elfenbein, untergräbt internationale Beschlüsse zur Schließung nationaler und internationaler Absatzmärkte und befeuert letztendlich illegalen Handel und Wilderei. Der Elfenbeinhandel stellt eine der größten Bedrohungen für Afrikas Elefanten dar.
- Um die Tötung von Elefanten zu rechtfertigen, egal ob für den Handel mit Jagdtrophäen, Elfenbein oder lebenden Tieren, wird immer wieder behauptet, es gäbe zu viele Elefanten, die Bestände wären stark angestiegen oder würden eine fiktive „ökologische Tragfähigkeitsgrenze“ überschreiten. Diese Behauptungen entbehren jedoch einer wissenschaftlichen Grundlage. Afrikanische Elefanten sind laut Roter Liste stark gefährdet. Jüngste Studien zeigen, dass die Populationen auch im Südlichen Afrika, wo die meisten Elefanten leben weitgehend unverändert sind.
- Es gibt zahlreiche bewährte Methoden, um Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu verringern. Pro Wildlife unterstützt entsprechende Projekte für Elefanten in Tansania und Sambia und fördert in Botswana die Koexisatenz von Löwen und Menschen.
- Gemeinsame Stellungnahme von 80 Tierschutzorganisationen, die umstrittenen Abschüsse zu stoppen.