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Vier Jahre lang verfolgte der scheidende US-Präsident Donald Trump eine destruktive Politik: Diplomatische Beziehungen, das internationale Ansehen der USA, der globale Klimaschutz und – wie auch der Sturm radikaler Trump-Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zeigte – die Demokratie in den USA wurden schwer beschädigt. Leiser und international oft weniger beachtet war sein konsequenter Feldzug gegen den Naturschutz: So ließ Trump den Endangered Species Act zugunsten ökonomischer Interessen aufweichen, ebenso den Schutz von Zugvögeln. Er erhöhte die Abholzung auf öffentlichen Flächen um 30 Prozent. Und er riskierte die Gesundheit von Walen, Robben und anderen Meeresbewohnern, indem er den Einsatz von Schallkanonen für seismische Untersuchungen genehmigte, um Ölvorkommen im Boden des Atlantiks zu orten. Überhaupt war Trump schon immer dicke mit den Ölkonzernen. Eine seiner letzten Amtshandlungen war denn auch konsequenterweise ein Naturschutzgebiet in Alaska für die Ölindustrie freizugeben: dem Arctic National Wildlife Reserve (ANWR). Sein Nachfolger Jo Biden erbte dieses Projekt und gab es, mit Einschränkungen, frei.
ANWR: Kinderstube für Eisbären im Visier der Ölindustrie
Das Arctic National Wildlife Refuge ist ein wichtiger Lebensraum für Eisbären, Karibus (nordamerikanische Rentiere), Orcas und zahlreiche andere Arten. Viele Eisbären und die allermeisten Alaska-Karibus bringen hier ihre Jungen zur Welt. Eine komplexe marine Nahrungskette ist auf dieses Schutzgebiet angewiesen.
1960 wurde das ANWR erstmals unter Schutz gestellt, 1980 auf 78.000 km² erweitert – und zwar ausgerechnet um das sogenannte „1002-Gebiet“ entlang der Küste, in dem laut Studien der 1970er Jahre 7,7 Milliarden Barrel Ölvorkommen vermutet werden. Seither hatten Exxon Valdez, BP, Chevron und andere Mineralölkonzerne ein Auge auf das „1002-Gebiet“ geworfen. Auf Druck von Umweltverbänden und dank kritischer US-Gerichte konnte eine Öffnung des Gebietes für die Ölindustrie lange verhindert werden. Doch die US-Regierung unter Präsident Trump kündigte im September 2019 an, das 1002-Gebiet für Gas- und Ölförderung freigeben zu wollen. Im August 2020 schaffte der US-Innenminister schließlich die formalen Voraussetzungen; die Auktion der Förderkonzessionen wurde auf den 6. Januar 2021 festgesetzt – also gerade noch rechtzeitig vor dem Amtswechsel im Weißen Haus…
Proteste erwirken Teilerfolg für das ANWR
Dass die Ölförderung im Naturschutzgebiet in Alaska freigegeben werden soll, löste eine breite Welle der Kritik aus. Diverse US-Umweltorganisationen wie auch Pro Wildlife starteten Petitionen, erarbeiteten ökologische Stellungnahmen und schrieben Protestbriefe an die Bundesregierung der USA sowie die Behörden von Alaska; lokale Naturschutzinitiativen legten erneut Klagen vor Gericht ein.
Die breite Kritik blieb nicht ohne Folgen: Große US-Banken, darunter Goldman Sachs, kündigten an, keine Gas- und Ölprojekte im ANWR finanzieren zu wollen. Noch im Dezember 2020, wenige Tage vor Weihnachten, reduzierte die Trump-Administration die zur Versteigerung angebotene Fläche von 6.314 km² um 1.850 km² (30 Prozent). Die Auktion am 6. Januar 2021 wurde schließlich zum Flop: Die großen Player der Erdölindustrie Shell, BP und Exxon boten gar nicht erst mit; man wolle künftig mehr auf erneuerbare Energien setzen. Zudem sind die Gutachten zu den Ölvorkommen Jahrzehnte alt und unsicher. Die Auktion endete schließlich mit nur drei kläglichen Geboten und gerade einmal 14,4 Millionen USD (12 Millionen davon von einer halb-staatlichen Industriebehörde aus Alaska), statt der angestrebten 1,8 Milliarden USD.
Die Ölförderung im ANWR ist zwar dank Trump nun freigegeben, der Beginn jeglicher Bohrungen in dem ökologisch hochsensiblen Gebiet wäre dennoch ein Desaster. Die Explosion der Förderplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko hat mehr als deutlich gemacht, welch katastrophale Folgen eine Ölpest für das Leben von Meerestieren hat. Eine ähnliche Katastrophe hätte in der Arktis, wo u.a. die eisige Kälte einen natürlichen Abbau des Ölteppichs durch Mikroorganismen extrem verlangsamen würde, noch weit schlimmere Folgen.
Trotz all dieser Bedenken hat Präsident Biden im März 2023 das Bohrvorhaben genehmigt – wenn auch nur drei statt der fünf beantragten Ölfelder freigegeben wurden. Wir bedanken uns dennoch bei den tausenden Menschen, die mit uns gegen das Projekt gekämpft und unsere Petition unterzeichnet haben.
Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 10. Januar 2021, Update am 20. April 2023