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Auf Borneo, Indonesien, wurde im Mai 2020 eine Fläche von 86 Hektar Regenwald dem Erdboden gleichgemacht, in dem zuvor hoch bedrohte Tiere wie Nasenaffen, Orang-Utans, Nebelparder und Schuppentiere gelebt hatten. Die Abholzung sollte Platz schaffen, um zwei Palmöl-Fabriken zu errichten. Palmöl statt Regenwald – das ist an sich schon katastrophal genug. Hinzu kommt, dass das Ganze auch noch mit dem Verbrauchersiegel RSPO zusammenhängt, das angeblich nachhaltig produziertes Palmöl ausweisen soll, und an das wir uns mit einem offenen Brief gewandt haben…
Wie glaubwürdig ist das Ökosiegel RSPO?
Regional, saisonal, plastikfrei, vegetarisch/vegan und fair. Soll all das erfüllt sein, wird die Auswahl beim Shoppen traurig gering. Ökosiegel & Verbraucherlabel könnten dabei eine immense Orientierungshilfe geben – gäbe es nicht so viele von ihnen (allein in Deutschland über 1.000 verschiedene!). Und gäbe es nicht so viele Skandale. Denn nicht selten kommt es vor, dass ein Label doch eher ein Marketing-Gag ist oder sich Konzerne schlichtweg nicht an ihre eigenen Richtlinien halten. Das zeigt auch der Fall eines Konzerns aus Singapur: First Resources Limited.
Der Konzern ist bereits seit 2008 Mitglied des RSPO, dem „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“. Träger des RSPO-Siegels verpflichten sich, eine Reihe von Prinzipien und Kriterien einzuhalten, die eine nachhaltige Palmölproduktion garantieren sollen. Dennoch hat die Tochterfirma des Konzerns auf Borneo 2020 wichtigen Lebensraum für Nasenaffen und viele andere bedrohte Tiere platt gemacht. Wo zuvor artenreicher Wald mit Vogelgezwitscher und Affengrunzen vorhanden war, ist nun auf 86 ha nur noch eine tote Mondlandschaft, auf der eine Palmölraffinerie und eine „Biodiesel“-Fabrik errichtet werden sollten.
Bulldozer & Kettensägen im Regenwald
Dabei hat der Mutterkonzern First Resources Ltd. erst 2015 äußerst medienwirksam erklärt, man wolle künftig Waldrodungen und Menschenrechtsverletzungen aus der gesamten Produktions- und Lieferkette verbannen. Die indonesische Tochterfirma PT Wahana Prima Sejati hingegen machte 2020 an der Ostküste Borneos eine Fläche von 86 Hektar äußerst artenreichen Waldes dem Erdboden gleich. Das entspricht einer Fläche von etwa 123 Fußballfeldern. Zwei Hügel auf dem Gelände wurden abgetragen, um die Fläche zu ebnen und zu erhöhen. Wald und Wildtiere sind verschwunden, der angrenzende Fluss ist verdreckt, die Schneise der Verwüstung zieht sich bis zum Mangrovenwald an der Küste.
Abholzung für Palmöl: Legal ist noch lange nicht okay
Das ökologische Desaster, das PT Wahana Prima Sejati verursacht, ist offenbar nicht einmal illegal: 2019 ließ das Unternehmen die erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung anfertigen (auch wenn sich nun abzeichnet, dass dabei wohl falsche Angaben gemacht wurden). Die indonesische Regierung – ohnehin nicht gerade für großes Naturschutz-Engagement bekannt – hat ihnen eine Konzession für das Gebiet erteilt. Denn obwohl der Wald ökologisch wertvoll ist, ist er kein Schutzgebiet, sondern wurde zur nutzbaren Fläche erklärt. Auch wenn die Rodung kein Fall für die indonesische Justiz zu sein scheint, waren diese Rodungen ein Fall für RSPO.
RSPO-Kriterien reichten nicht aus
Auf unsere Kritik hin rechtfertigt sich First Resources Ltd. damit, die RSPO-Kriterien würden ja nur für Palmöl-Plantagen und -Mühlen gelten. Und tatsächlich zeigte dieser Fall eine fatale Lücke in den offiziellen „Prinzipien und Kriterien“ von RSPO auf. Was First Resources jedoch verschweigt ist, dass RSPO jedoch auch noch einen „Code of Conduct“ hat, in dem es heißt, dass Firmen, für deren Aktivitäten die RSPO-Kriterien nicht direkt zutreffen, eigene Standards dafür setzen, die nicht niedriger sind. Schlimm genug, dass First Resources die RSPO-Vorgaben so schamlos umgeht – noch schlimmer aber, dass bereits zwei weitere Palmölgiganten in der Region ähnliche Pläne haben, was noch weitere Zerstörung bedeuten würde.
In den Waldgebieten der Balikpapan Bay leben diverse bedrohte Tierarten, darunter eine der größten noch verbliebenen Nasenaffen-Populationen (stark gefährdet), Nebelparder (stark gefährdet), Malaienbär (gefährdet), Malaiisches Schuppentier (akut vom Aussterben bedroht) und Marmorkatze (potenziell gefährdet). Ja, es wurden sogar Orang-Utans in dieser Gegend wieder angesiedelt. Und der Lebensraum all dieser Wildtiere muss weichen, damit ein RSPO-Mitglied über seine Tochterfirma Palmöl-Raffinerien aufstellen kann?
Konzern ignoriert verschärfte RSPO-Auflagen
Eine formale Beschwerde gegen First Resources Ltd. läuft bereits beim RSPO. Pro Wildlife, SAVE und Rettet den Regenwald haben bei der Firmenleitung offiziell protestiert, in einem offenen Brief an RSPO Maßnahmen gegen First Resources Ltd. eingefordert: Die Fabriken dürfen nicht errichtet werden, der Wald muss wieder aufgeforstet werden – und RSPO muss dringend seine Vorgaben nachschärfen, damit dieser Fall keine Nachahmer findet…
Immer wieder steht das RSPO-Siegel in der Kritik, wegen der unklaren Kriterien und den vielen Verstößen, die die Mitgliedsfirmen immer wieder begehen. Der Kahlschlag in der Balikpapan Bay zumindest blieb nicht folgenlos: Dank unserer Proteste und eines formellen Einspruchs lokaler Naturschützer musste First Resources Ltd. seine Baumaschinen im Frühjahr 2021 abziehen, seither liegt die Fläche brach. Am 2. Dezember 2021 schließlich verabschiedete RSPO eine Resolution, die deutlich machte, dass das Zerstören von wertvollem Wald nicht nur für das Anlegen von Palmölplantagen verboten ist, sondern für die gesamte Produktionskette gilt, inklusive weiterverarbeitender Fabriken und Raffinerien!
Doch die Freude über diesen Erfolg währte nur kurz: Anfang Januar erreichten uns Fotos vom 24. Dezember 2021, die zeigen, dass der Konzern, aller Kritik und der Rüge durch RSPO, die Rodungs- und Bautätigkeiten wieder aufgenommen hat! Wir haben umgehend RSPO alarmiert – doch es braucht noch mehr Druck aus der Öffentlichkeit.
2023: Indonesien plant General-Amnestie für illegale Palmöl-Plantagen
Im Juli 2023 erreichen uns aus Indonesien schockierende Nachrichten: Indonesien plant laut Auskunft seines Ministers für Investitionen (!) bis zum Jahresende eine General-Amnestie für alle illegalen Palmöl-Plantagen. Die Straffreiheit betrifft etwa 1.200 Plantagen, für die Wald illegal gerodet wurde und die eine Fläche von 3,37 Mio. Hektar bedecken.
Mit einem Anteil von 56% des Weltmarktes Indonesien ist der mit Abstand größte Produzent von Palmöl (gefolgt von Malaysia mit 31%). Seit 2013 gilt in Indonesien – zumindest auf dem Papier – ein Gesetz, demnach Plantagen nur angelegt werden dürfen, wenn für die Fläche kein Wald gerodet wurde. Aber die Konzerne ignorierten dies – und konnten es sich auch leisten, denn Strafen drohten ihnen bislang kaum. Nun geht die Regierung also noch einen Schritt weiter und legalisiert die Umweltverbrechen. Eine Bankrotterklärung für den Natur- und Klimaschutz Indonesiens.
Autorin: Dr. Sandra Altherr
Veröffentlicht am: 4. Februar 2021. Zuletzt aktualisiert am: 28. Juli 2023.