Brüssel, München, Hamburg, 27. September 2022. Die Europäische Union ist noch immer eine der wichtigsten Drehscheiben und Zielländer für Wildtiere, die aus Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten, Asien und Ozeanien „gestohlen“ wurden. Dies geht aus einem neuen Bericht hervor, der heute von Pro Wildlife, Humane Society International (HSI) und IFAW (International Fund for Animal Welfare) veröffentlicht wurde. „Stolen Wildlife: The EU – a destination for wildlife traffickers“ (Gestohlene Wildtiere: Die EU – ein Ziel für Wildtierschmuggler) deckt die europäische Komplizenschaft in diesem illegalen Handel auf: EU-Bürger sind nicht nur in den Schmuggel von national geschützten Wildtieren verwickelt, sondern sie erhalten als Käufer den Markt für diese seltenen Tiere aufrecht.
Die Europäische Union ist einer der größten Importeure von Tieren, die für den Handel mit exotischen Heimtieren bestimmt sind. Nur ein sehr kleiner Teil dieser gehandelten Arten fällt jedoch bislang unter internationale und/oder EU-Vorschriften. Viele der im Handel befindlichen Arten, die in Nicht-EU-Ländern durch nationale Rechtsvorschriften geschützt sind, wurden jedoch in der Natur gefangen und unter Verstoß gegen das nationale Recht des Herkunftslandes exportiert, wie z. B. die beeindruckende philippinische Segelechse oder die einzigartigen Glasfrösche aus Lateinamerika.
Dr. Sandra Altherr, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei Pro Wildlife, sagt: „Auf der Suche nach einzigartigen Wildtieren treiben wohlhabende Exotenhalter in Europa den weltweiten Handel mit seltenen Arten voran. Wildtierschmuggler verkaufen illegal erworbene Tiere ganz offen auf europäischen Tierbörsen, wohl wissend, dass sie aufgrund der Schlupflöcher in der EU-Gesetzgebung damit durchkommen. Mit jeder seltenen Echse, die bis zu Tausende von Euro einbringen kann, lässt sich viel Geld verdienen, ohne dass ein rechtliches Risiko besteht.“
Robert Kless, Leiter des IFAW Deutschland, fügt hinzu: „Das Internet ist ein wichtiger Kanal, um Händler und Kunden aus der ganzen Welt direkt miteinander zu verbinden. Es ist die ideale Plattform für kriminelle Tierhändler. Der Online-Handel mit geschützten Arten, der zum Teil durch die Förderung des Besitzes exotischer Haustiere und die Interaktionen in den sozialen Medien angeheizt wird, stellt für die Vollzugsbehörden eine große Herausforderung dar. Der illegale Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen, sowohl online als auch auf physischen Märkten, zielt zunehmend auf seltene Wildtierarten ab, die nicht durch EU-Recht geschützt sind, und trägt damit zum katastrophalen Verlust der biologischen Vielfalt weltweit bei.“
Dr. Joanna Swabe, Senior Director of Public Affairs bei Humane Society International/Europe, stellt fest: „Es ist Zeit für die EU zu handeln. Sie muss ihren guten Worten in ihrer jüngsten Biodiversitätsstrategie bis 2030 über die Eindämmung des weltweiten Biodiversitätsverlustes konkrete Taten folgen lassen. Die Europäische Kommission wird demnächst ihren überarbeiteten Aktionsplan gegen den Wildtierhandel vorlegen. Dies ist eine einmalige Gelegenheit für sie, gegen diese Form des illegalen Wildtierhandels vorzugehen und mit der Entwicklung zusätzlicher Rechtsvorschriften zu beginnen, um den Handel mit Wildtieren zu kriminalisieren, die unter Verletzung der Gesetze anderer Länder entnommen wurden.“
„Stolen Wildlife: The EU – a destination for wildlife traffickers“ enthält nicht nur detaillierte Fallstudien aus Kuba, Brasilien, Marokko, Südafrika und den Philippinen, sondern gibt auch einen Überblick über die Bemühungen der Herkunftsländer, ihre einzigartige biologische Vielfalt zu schützen. So haben sie beispielsweise kürzlich mehrere Vorschläge für die kommende CITES-Vertragsstaatenkonferenz in Panama vorgelegt, um den internationalen Handel mit ihren endemischen Arten einzuschränken.
Die drei Tierschutzorganisationen fordern, dass die EU gesetzgeberisch tätig wird und ein Gesetz einführt, welches die Einfuhr, den Verkauf, den Kauf und den Besitz von Wildtieren verbietet, die in ihrem Herkunftsland illegal eingefangen wurden. Diese Forderung wurde in den letzten Jahren auch wiederholt vom Europäischen Parlament in mehreren Resolutionen unterstützt, in denen die Europäische Kommission aufgefordert wird, ein solches Gesetz zu erlassen.