Zürich, München, 16. September 2022. Die Kommission der Europäischen Union kündigte am Donnerstag die Umsetzung der Tiefseeverordnung und damit ein Fischereiverbot in 87 Gebieten mit empfindlichen und daher schutzbedürftigen Ökosystemen in der Tiefsee in EU-Gewässern an. Sharkproject, Pro Wildlife, die Deutsche Stiftung Meeresschutz und die Deutsche Meeresstiftung begrüßen diesen Schritt der Kommission ausdrücklich.
Tiefsee-Meerestiere in EU-Küstengewässern endlich sicher
Über 16.000 Quadratkilometer der EU-Gewässer im Nordostatlantik werden für die bodenberührende Fischerei (d.h. Bodenschleppnetze und Bodenlangleinen) in der Tiefsee geschlossen. Dies ermöglicht endlich den dringend notwendigen Schutz von Kaltwasser-Tiefseekorallen, Ansammlungen von Tiefsee-Schwämmen und anderen lebensraumbildenden Arten in der Tiefsee vor den Küsten von Irland, Frankreich, Spanien und Portugal.
Mit diesem Schritt folgt die Kommission nunmehr ihrer Verpflichtung aus der bereits 2016 verabschiedeten Verordnung 2016/2336 über den Zugang der Fischerei zur Tiefsee. Nebst dem bereits 2016 in Kraft getretenem Verbot der Grundschleppnetzfischerei unterhalb von 800 Metern sieht die Verordnung auch den Schutz von gefährdeten Lebensräumen mit hoher Biodiversität (allgemein als Vulnerable Marine Ecosystems oder VMEs bezeichnet) in einer Tiefe zwischen 400 und 800 Metern vor, sofern deren Existenz bekannt ist oder als wahrscheinlich gilt.
Umsetzung mit vier Jahren Verspätung
Diese Ökosysteme in der Tiefsee sind besonders von der Zerstörung durch bodenberührende Fangmethoden, d.h. der Tiefseeschleppnetzfischerei und der Tiefsee-Langleinenfischerei, bedroht. Vorgesehen war, dass diese Zugangsverordnung bereits 2018 umgesetzt werden sollte. Weil die EU-Kommission sich aber dazu entschloss, vor der finalen Entscheidung ausführliche Beratungen mit Wissenschaftlern, allen Mitgliedsstaaten, der Fischerei, der fischverarbeitenden Industrie und Umweltschutzorganisationen abzuhalten und zudem eine öffentliche Konsultation durchführte, verzögerte sich die Umsetzung um fast vier Jahre.
Die Sachverständigen der 27 EU-Mitgliedstaaten hatten bei der Abstimmung im Juni dieses Jahres dem Vorsorgeprinzip folgend der Variante mit der größtmöglichen Anzahl an Schutzgebieten zugestimmt.
„Auch wenn es deutlich länger gedauert hat als erhofft, freuen wir uns sehr, dass die EU-Kommission ihren Versprechungen zur Biodiversitätsinitiative und dem Green Deal nun auch endlich Taten folgen lässt“ sagt Dr. Iris Ziegler von Sharkproject International „Und wir sind stolz, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Abstimmung im Juni klar zum Schutz der Tiefsee bekannt hat und ebenso wie Frankreich und 12 weitere Mitgliedsstaaten mit Ja gestimmt hat.“
„Es war überfällig, dass die EU endlich den langfristigen Schutz dieser wichtigen und hochempfindlichen Ökosysteme umsetzt und nicht länger den kurzfristigen ökonomischen Interessen seitens einiger Fischereien unterordnet“, betont Dr. Sandra Altherr von Pro Wildlife.
Fischereiindustrie leistete bis zuletzt Widerstand
Neun der anwesenden Mitgliedsstaaten, darunter auch Portugal, hatten sich enthalten. Lediglich zwei Mitgliedsstaaten, Spanien und Irland, sowie zahlreiche Interessensvertreter aus der Fischereiindustrie hatten sich allerdings bis zuletzt gegen die Umsetzungsverordnung und deren Inkrafttreten ausgesprochen.
„Der Fischerei wäre es natürlich lieber gewesen, möglichst wenige und nur deutlich kleinere Gebiete zu schließen“, fasst Iris Ziegler die Stimmung bei der letzten Informationsveranstaltung zum nun verabschiedeten Umfang der Schließungen zusammen.
Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung für Meeresschutz sieht die Annahme des Vorschlages der Experten des International Council for the Exploration of the Sea (ICES) mit der größten Anzahl an Schutzgebieten als „die einzig richtige Entscheidung, wenn wir es mit dem Schutz dieser höchst gefährdeten, aber einzigartigen Lebensräume in der Tiefsee wirklich ernst meinen. Denn die bodenberührende Fischerei zerstört für den Biodiversitätserhalt in den Ozeanen entscheidende Lebensräume“.