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München/Wädenswil/Washington DC, 13. Juni 2016. Norwegen hat in den letzen beiden Jahren mehr Wale getötet als Japan und Island zusammen. Dies geht aus einem Bericht hervor, den die Artenschutzorganisationen Pro Wildlife, OceanCare und Animal Welfare Institute (AWI) am Montag veröffentlicht haben. Sie werfen der norwegischen Regierung vor, dass sie ihre Auflagen für Walfänger Schritt für Schritt aufgeweicht hat und den Verkauf von Walprodukten aktiv fördert. Die Verbände fordern die Staatengemeinschaft auf, bei der Walfangtagung im Oktober gegen Norwegens systematische Förderung des Walfangs vorzugehen.
Der Bericht „Frozen in Time: Wie das moderne Norwegen am Walfang festhält“ beschreibt, wie Norwegen das kommerzielle Walfangmoratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) kontinuierlich untergräbt und seinen Überseehandel mit Walprodukten vorantreibt. Entsprechende Lieferungen – die teils über europäische Häfen abgewickelt werden – dienen dazu, Norwegens schwächelnde Walfangindustrie zu erhalten. 2014 und 2015 fielen in Norwegen 1.396 Zwergwale den Harpunen zum Opfer. Japan tötete im gleichen Zeitraum 663, Island 345 Großwale.
Norwegen bislang von Kritik verschont
„In einem der weltweit modernsten und wohlhabendsten Länder ist der Walfang nicht mehr zeitgemäß“, sagt Sandra Altherr, Biologin und Mitbegründerin von Pro Wildlife. „Wale zu schlachten hat in einer fortschrittlichen Gesellschaft keinen Platz – es schadet dem internationalen Ansehen des Landes“. Während auf Island diplomatischer Druck ausgeübt wird und Japan für sein Walfangprogramm vor dem internationalen Gerichtshof zu Verantwortung gezogen wurde, bleibt Norwegen von Kritik weitgehend verschont, so der Bericht.
„Seit 2001 hat die Walfangkommission den norwegischen Walfang nicht offiziell kommentiert und die Staatengemeinschaft hat seit zehn Jahren keine Demarche mehr gegen Norwegen in die Wege geleitet“, sagt Sigrid Lüber, Präsidentin von OceanCare. „Solange sich das nicht ändert, wird Norwegen sich hinter Island und Japan verstecken und weitermachen wie bisher“.
Kosmetik aus Walöl
Die norwegische Regierung finanziert eine Reihe von Projekten, die den Absatz von Walprodukten im Land ankurbeln sollen. So unterstützt sie unter anderem die Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln, alternativen Heilmitteln und Kosmetik aus Walöl. 2015 kündigte die Firma Myklebust Hvalprodukter (Walprodukte) eine Reihe neuer Produkte an, die aus Walöl hergestellt werden, darunter auch Hautcreme. „Wir waren erstaunt, dass eine norwegische Walfang-Firma Gesundheitsprodukte und Kosmetik aus Walöl verkauft, sagt Susan Millward, Direktor von AWI. „Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert. Ich verstehe nicht, dass eine moderne Nation Hautcreme aus einer so grausamen Industrie bezieht“. „Diese Subventionierung des Walfangs ist der offenkundige Versuch, eine sterbende Industrie am Leben zu erhalten. Norweger essen kaum mehr Walfleisch,“ ergänzt Altherr. Kürzlich wurde bekannt, dass Walfleisch sogar als Tierfutter in Pelzfarmen verfüttert wird.
Norwegen und IWC in der Pflicht
„Frozen in Time“ zeigt die Bemühungen der norwegischen Walfang-Industrie, ihr Walfleisch nach Japan zu verkaufen. Einige norwegische Walfleischlieferungen waren von japanischen Käufern wegen zu hoher Giftstoffbelastung abgelehnt worden. Daraufhin ließen die Norweger sogar Inspektoren der japanischen Walfangflotte an Bord kommen und die Verarbeitung des Walfleischs kontrollieren, um den Qualitätsstandards der Japaner zu entsprechen. „Frozen in Time“ gibt Handlungsempfehlungen für die IWC und ihre Mitgliedsstaaten, damit Norwegen den kommerziellen Walfang ebenso aufgibt wie den Handel mit Walprodukten. Die Artenschutzverbände fordern eine klare Botschaft der IWC an Norwegen.
Hintergrund
In den achtziger Jahren hat die IWC ein Fangverbot für 13 Großwalarten verhängt. Während Japan unter dem Deckmantel der Wissenschaft jagt, hat Norwegen gegen das Moratorium zum Schutz der Wale formellen Einspruch erhoben und ist damit nicht an das Fangverbot gebunden. Die Jagd auf Wale in norwegischen Hoheitsgewässern ist einheimischen Fischern deshalb erlaubt, ebenso der bilaterale Walfleisch-Handel mit Japan. Wie in Island setzt auch das norwegische Fischereiministerium die Fangquoten jährlich selbst fest und ignoriert dabei die Vorgaben der IWC.