Fünf Jahre nach Corona-Lockdown: Wildtierimporte boomen noch immer

Zoonosen bleiben ein Risiko – politische Konsequenzen unzureichend

München, 11. März 2025. Fünf Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown zieht die Artenschutzorganisation Pro Wildlife eine ernüchternde Bilanz zum Handel mit lebenden Wildtieren in Deutschland und Europa: „Obwohl die Corona-Pandemie die Risiken von Zoonosen und dem Handel mit lebenden Wildtieren mehr als deutlich machte, importiert die EU noch immer Millionen Wildtiere aus aller Welt als exotische Haustiere – viele davon mit unbekannter Vorgeschichte“, betont Dr. Sandra Altherr, Biologin bei Pro Wildlife. „Das Risiko, dass hierüber Zoonosen eingeschleppt werden, wird dabei vollkommen ausgeblendet. Es sind dringend Begrenzungen des internationalen Wildtierhandels notwendig, um diesen Risiken vorzubeugen.“ Am 22. März 2020 trat der erste Corona-Lockdown in Kraft und war mit zahlreichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens verbunden.

Die EU bleibt weiterhin einer der größten Absatzmärkte für Wildtiere

Pro Wildlife verweist auf die zentrale Rolle der EU und insbesondere Deutschlands als Drehscheibe und Absatzmarkt für den Handel mit exotischen Haustieren: „Ob auf Tierbörsen, über das Internet oder im Zoofachgeschäft: Jährlich werden hier unzählige Wildtiere aus aller Welt als exotische Heimtiere zum Verkauf angeboten – nicht nur bedrohte Arten, sondern auch Tiere, die bekanntermaßen potenzielle Überträger gefährlicher Zoonosen sind“, berichtet Altherr. Dabei werden die Importe für die allermeisten Arten nicht einmal systematisch erfasst: Anzahl, Herkunft und Vorgeschichte bleiben häufig unbekannt. Recherchen von Pro Wildlife zeigen jedoch, dass z.B. noch immer lebende Flughunde aus Asien importiert werden – trotz vieler verschiedener Corona-Viren, für die sie als Wirt gelten.

Wildtierhandel: Ein Problem für Artenschutz, Tierschutz und Gesundheit

Der Handel mit exotischen Haustieren steht vor allem wegen der hierdurch verursachten Tier- und Artenschutzprobleme in der Kritik. Die ebenfalls damit verbundenen Gesundheitsgefahren werden hingegen kaum wahrgenommen:

Dreiviertel aller neuen Infektionskrankheiten sind Zoonosen und mehr als 70% der Zoonosen stammen von Wildtieren. Eine Studie aus 2021 warnt, dass hunderttausende noch unerforschte Viren allein aus Vögeln und Säugetieren für den Menschen infektiös sein könnten. „Die riesige Anzahl an Tieren, die langen Vertriebsketten, das enge Unterbringen verschiedenster Wildtiere bei Zwischenhändlern, der enorme Stress und die oft ungewisse Herkunft der Tiere – all das sind Faktoren sowohl beim legalen als auch illegalen Handel mit lebenden Wildtieren, die das Risiko einer Virus-Übertragung („Spillover“) auf den Menschen und somit das Einschleppen von Zoonosen erhöhen“, so Altherr.

Beispiele für Zoonosen durch exotische Haustiere:

  • Von 2011 bis 2014 starben in Deutschland mindestens drei Privathalter und eine Zootierpflegerin an einer Hirnhautentzündung – sie hatten sich über den Kontakt mit exotischen Hörnchen mit einem Bornavirus infiziert. Das Virus wurde u.a. in Bunthörnchen und Schönhörnchen nachgewiesen – Bunthörnchen stammen aus Mittelamerika, Schönhörnchen aus Südostasien.
  • Das Robert-Koch-Institut warnte bereits 2014, dass die Häufigkeit von durch Reptilien verursachten Salmonellosen bei Kleinkindern in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Das Pasteur-Institut berichtete 2014 von 871 Reptilien-bedingten Salmonellosen, inklusive vier Todesfällen. In 12 bis 85% von Schildkröten, 16 bis 92% von Schlangen und 36 bis 84% von Echsen in Gefangenschaft wurden Salmonella-Erreger nachgewiesen, ohne dass die Tiere selbst krank sein müssen.

Unzureichende politische Konsequenzen

Pro Wildlife kritisiert die bisher ergriffenen Maßnahmen der EU als punktuell und rein reaktiv: Erst wenn es bereits Krankheitsausbrüche gibt, werden einzelne Importverbote verhängt. So führte ein Ausbruch von Mpox („Affenpocken“) in den USA durch infizierte Präriehunde und afrikanische Nagetiere 2003 zu einem EU-Importverbot dieser Tiere. Andere Tiere wie Affen oder Nasenbären sind ebenfalls potenzielle Mpox-Überträger, dürfen jedoch weiterhin als Haustiere in die EU importiert werden.

Die Artenschutzorganisation fordert deshalb ein Importverbot für Wildfänge sowie eine strikte Begrenzung des Wildtierhandels, z.B. durch eine Positivliste für Haustiere, die festlegt, welche Arten überhaupt für die Privathaltung geeignet sind. „Diese Maßnahmen wären nicht nur aus Tier-, Natur- und Artenschutzgründen überfällig, sondern helfen auch als vorbeugender Schutz gegen Zoonosen“, sagt Altherr. „Die künftige Bundesregierung muss hier endlich tätig werden.“

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