München / Zürich / Brüssel, 3. Juni 2021. Zum Tag des Meeres der Vereinten Nationen am 8. Juni fordern die Naturschutzorganisationen Pro Wildlife und SHARKPROJECT mit einem Sieben-Punkte-Plan die EU auf, ihrer Verantwortung zum Schutz der Meere gerecht zu werden. „Die EU ist maßgeblich an der Überfischung und Vermüllung der Ozeane beteiligt. Doch nun hat die EU einen Green Deal versprochen und erarbeitet derzeit ihre Biodiversitätsstrategie“, so die Biologin Dr. Sandra Altherr von Pro Wildlife. Dr. Iris Ziegler von SHARKPROJECT ergänzt: „2021 ist ein Schicksalsjahr für den Meeresschutz: Auf wichtigen Konferenzen zur Biodiversität und zur Fischerei stellt die EU jetzt die Weichen, wie ernst sie den Schutz der marinen Artenvielfalt nimmt.“
Pro Wildlife und SHARKPROJECT haben sieben konkrete Forderungen für den Meeresschutz 2021 zusammengestellt und dem Vize-Präsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, übermittelt, der den „Green Deal“ der EU koordiniert:
- Schädliche Fischereisubventionen beenden: Seit 20 Jahren streitet die Welthandelsorganisation WTO über eine Reform der Subventionspolitik in der Fischerei. Noch im Sommer 2021 könnte eine Entscheidung fallen – hier braucht es eine starke und klare Position der EU, um Subventionen z.B. für einen weiteren Ausbau der internationalen Fischereiflotte und ihrer Fangkapazitäten sowie für schädliche Fangmethoden endlich zu stoppen. Allein die EU verfügt über eine Fischfangflotte von mehr als 81.000 Booten und Schiffen unterschiedlichster Größe, darunter auch 19 Riesenschiffe mit über 100 m Länge.
- Transformation der EU-Fischerei zu einer ökosystemverträglichen Fischerei: Verbot der besonders zerstörerischen Fangmethoden (z.B. Bodenschleppnetze, Tiefseefischerei unterhalb 400 m, Supertrawler, Langleinen mit sog. „wire leaders“, die gezielt auf den Haifang ausgelegt sind), Minimierung des Beifangs durch technische Innovationen; ökologisch nachhaltige Fischereiquoten entsprechend dem Vorsorgeprinzip, die ein dauerhaftes Erholen der Fischbestände ermöglichen.
- Sofortiger Fangstopp für den stark gefährdeten Makohai: Auf zwei Treffen der Fischereikonvention ICCAT* im Juli und November 2021 muss die EU statt ihrem aktuellen Vorschlag für die Anlandung von maximal 500 Tonnen aus dem Nordatlantik (288 t davon als Anteil für die EU) endlich das von der Wissenschaft empfohlene komplette Anlandeverbot unterstützen. Spanien und Portugal gehören zu den größten Makohai-Fangnationen der Welt. „Es ist schwer zu glauben, dass die EU noch immer auf eine Anlandung von 500 t pro Jahr besteht, obwohl es selbst bei einer Fangrate von Null mindestens 50 Jahre dauern wird, bevor sich dieser überfischte Bestand erholt. Das Risiko, diesen Topräuber im Atlantik zu verlieren, ist immens. Wir müssen jetzt unbedingt auf die Wissenschaftler hören und können die Entscheidung nicht länger den Managern überlassen. Sonst ist es bald für immer zu spät“ erklärt Ziegler.
- Lückenloses Hai-Finning-Verbot: Seit 2003 gilt ein EU-Finning-Verbot, seit 2013 müssen Haie zudem als ganze Körper inklusive Flossen angelandet werden, um Zahl und Arten der getöteten Tiere überprüfen zu können. Doch die Verordnung hat Schlupflöcher, die Kontrollen sind unzureichend und die EU ist bis heute ein wichtiger Knotenpunkt für den internationalen Haiflossenhandel. Pro Wildlife, SHARKPROJECT und andere Naturschützer fordern deshalb eine Nachschärfung der EU-Finning-Verordnung, die eine bessere Überwachung sicherstellt.
- Einsatz gegen Wal- & Delfinjagd: 2021 laufen die Vorbereitungen für die Tagung der Internationalen Walkommission (IWC) im kommenden Jahr. Pro Wildlife fordert die EU auf, klare Kante gegen die kommerzielle Jagd in europäischen Gewässern durch Norwegen und Island zu zeigen sowie sich gegen die gezielte Bejagung von Delfinen einzusetzen. Nach Recherchen von Pro Wildlife sterben weltweit jährlich etwa 100.000 Delfine und Kleinwale durch gezielte Bejagung.
- Ausweitung mariner Schutzgebiete: Im Rahmen der CBD-Biodiversitätskonferenz im Oktober 2021 und auch in ihrer eigenen EU-Biodiversitätsstrategie muss die EU mehr marine Schutzgebiete einrichten und global einen Anteil von 30 Prozent der Ozeane als Schutzgebiete einfordern. In ihnen müssen v.a. Fischerei und Bodenschatzgewinnung verboten werden (sog. No-Take-Zonen). Schutzgebiete sind zudem besser zu vernetzen und müssen das Spektrum mariner Ökosysteme abdecken.
- Exportstopp für Plastikmüll: Zwar hat die EU zum 1. Januar 2021 ihre Exporte von Plastikmüll bereits eingeschränkt, aber das reicht aus Sicht von Pro Wildlife und SHARKPROJECT nicht aus. Statt nur noch recycelbare Kunststoffe zu exportieren, plädiert die Naturschutzorganisation für ein komplettes Exportverbot von Plastikmüll. „Wir können unser Müllproblem nicht einfach in ärmere Länder auslagern“, so Altherr.
Weitere Informationen:
- Sieben-Punkte-Plan zur Rettung der Meere (pdf)
- Hintergrundinformationen von Pro Wildlife zur Situation der Meere
- Webinar zur dramatischen Situation des Makohais (englisch)* ICCAT = International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas; dieses Fischereiabkommen managt inzwischen auch die Nutzung von Haien im Atlantik